Château Pontet Canet
Die Geschichte des Weinguts
Am Beginn der Geschichte von Château Pontet Canet steht im Jahre 1725 der Gouverneur des Médoc Jean-Francois de Pontet, der zugleich Minister unter König Ludwig XV war. Selbst durch die Wirren der Revolution hindurch blieb das Weingut - neben dem heutigen Chateau Langoa-Barton, das 1821 an Hugh Barton verkauft wurde, im Besitz der Familie de Pontet. Pontet Canet, das heute 81 ha unter Reben hat, war um 1840 ein vergleichsweise kleines Weingut mit nur 20ha Rebland.
10 Jahre nach der Klassifikation von 1855, die Chateau Pontet-Canet als Cinquième Cru ausweist, wurde das Pauillac-Gut an den bedeutenden bordelaiser Negociant Hermann Cruse verkauft. Er investierte viel in die Weinberge und baute den heutigen Keller, der seit der Generalüberholung in 2005 ein Ausweis der Verschmelzung historischer Bausubstanz mit modernsten "Innereien" ist - und somit so ganz anders als bei vielen anderen namhaften Chateaux im Medoc, die die Kellerhistorie sozusagen niedergerissen haben.
Da die Cruses Pontet Canet regelmäßig an die Franzöischen Staatsbahnen verkaufen konnten, wurde dieser Pauillac geradezu populär. Da es aber unterschiedliche Flaschenabfüllungen gab und auch sonst Dinge geschahen, die einem guten Ansehen advers sind, gelangte Pontet-Canet zusehends in einen eher zweifelhaften Ruf. Nach dem Weinskandal von 1973 mussten die Cruses das Weingut verkaufen, und so kommt 1975 ein uns heute sehr vertrauter Name als Eigentümer hinzu: Tesseron.
Château Pontet-Canet unter den Tesserons
Guy Tesseron, der zu dieser Zeit schon Chateau Lafon-Rochet in Saint-Estèphe besaß, war in der Hauptsache ein Cognac-Produzent und Händler. Unter seiner Ägide konnte das Weingut bereits wieder viel des einstmals verloreren Renomee zurückgewinnen. Aber erst mit dem Jahrgang 1994, als Alfred Tesseron die Leitung von Pontet-Canet übernahm, setzte ein spürbarer Aufwind, der dieses flächenmäßig bedeutende Pauillacgut ganz an die Spitze der Prestigeappellation geführt hat, ein.
Ohne den technischen Direktor Jean-Michel Comme wären jedoch all die Dinge, die Pontet-Canet seit dem Jahrgang 2010 als erstes 1855 klassifiziertes Gewächs biodynamisch zertifiziert sein lassen, nicht möglich gewesen. Denn mit dem Jahr 2004 setzen hier bereits die Bemühungen ein, zusammen mit der Verwirklichung nachhaltigen Weinbaus den Focus auf den Weinberg und die Harmonie seiner Wachstumsprozesse zu legen. So verwundert es nicht, dass von den 81 ha unter Reben aktuell 34 mit 5 Pferden bewirtschaftet werden, um die Verdichtung der Böden zu stoppen und durch die bessere Belüftung der Reben für organischeres Gedeihen zu sorgen.
Die Weinberge
Die Weinberge bestehen grundsätzlich aus zwei unterschiedlichen Blöcken, von denen der größere, etwa 50ha umfassende um das Weingut selbst herum angesiedelt ist und der kargen Böden wegen hauptsächlich mit Cabernet-Sauvignon bepflanzt ist, während der andere, etwa 28ha große jenseits der D2 flußseits gelegene einen Großteil der Merlot beherbergt. Insgesamt verfügt Pontet-Canet über 92 unterschiedliche Parzellen.
Pontet Canet im Pantheon
Wie kein anderes Weingut in Bordeaux hat Pontet-Canet es verstanden, in einer Welt der fortlaufenden Thematisierung sein USP so zu definieren, dass die grundsätzliche Retrorichtung mit seinen einzelnen Verwirklichungsstufen gut für eine nur in Jahren zu bemessende Pressekampagne gereicht hat. Die beiden Jahrhundertjahrgänge 2009 und 2010 haben ihr Übriges getan, um das fünftklassifizierte Pontet-Canet mit zwei perfekten "Scores" von Robert Parker nun im Pantheon der "Introuvables" fest zu verankern.
Wenn nun auf Chateau Latour Gäule grasen und Chateau Palmer nicht müde wird, seine Entschlossenheit, 2017 den ersten zertifizierten Palmerjahrgang zu lancieren, zu dokumentieren, ja wenn selbst Chateau Margaux dabei ist, seine Philosophie grundsätzlich zu überdenken, dann kann man ermessen, welche Seismik Alred und Melanie Tesseron zusammen mit Jean-Michel Comme losgetreten haben.
Der rare Zweitwein
Anders wiederum als bei vielen Peers erfolgen Qualitätssicherung und Ertragsreduzierung auf Pontet Canet weniger über das Ventil eines Zweitweins. So erklärt es sich, dass die "Les Hauts de Pontet" eher eine Trouvaille sind als Pontet-Canet selbst.
Der Protopauillac
Die Avantgarde als ästhetischer Begriff ist oft Ausweis eines radikalen Bruchs mit den tradierten Formen. In diesem Sinne könnte man das, was sich auf Château Pontet-Canet vollzieht, als Retro-Avantgarde bezeichnen, denn der Umbruch vollzieht sich in iterativer Durchdringung eines Entwicklungskontinuums zurück zu den Wurzeln einer heute als bedenklich eingestuften Vernachlässigung der Bedingung der Möglichkeit von Rebvitalität. Um es etwas einfacher auszudrücken: die prima causa eines herausragenden Weins liegt in der bestmöglichen Entfaltung des Fruchtträgers Rebe. Im übertragenen Sinn kann der Winzer noch so viel in seinen Keller investieren, wenn er den Rebwurzeln nicht genug Luft zur Respiration lässt, riskiert er einen kurzatmigen Wein.
Eine Hommage
Nur selten erlebe ich solche Momente tiefsten Ergriffenseins bei einer Weinpremiere wie alljährlich im April auf Pontet-Canet, wenn mir Alfred Tesseron, der Patron des State-of-the-Art-Weinguts Pontet Canet, dem von mir nun fortan als Protopauillac bezeichneten Überchâteau, das die bordelaiser Hierarchie mit der Wucht eines Erdbebens verändert hat, seinen in karaffierter Weite atmenden Wein zum Verkosten einschenkt. Gerade die tiefe Verwurzelung dieses begnadeten Visionärs und seines kongenialen Regisseurs Jean-Michel Comme im Ursprung seiner Profession, fernab den Verlockungen mondäner Schau, macht den Unterschied zu vielen namhaften Insignienträgern der bordelaiser Oligarchie aus. Wer wissen möchte, was in einem Jahrgang möglich ist – mithin also die Potenz der Ernte zu ermessen sucht, der ist gut beraten, früh zu den südlich von Mouton eingespannten Pferden zu ziehen.
zur Appellation Pauillac zu den Cinquième Cru Classé