Bordeaux Jahrgang 2017
Wenn das Staunen am Anfang aller Philosphie steht und dieses die Neugierde evoziert, und wenn eine Subskription nur dann eine Subskription ist, wenn es zum Philosophieren über sie kommt, dann darf man vermuten, dass unterschiedliche Intensitäten des Verblüfftseins das vermeintlich eindeutig Gute überhöhen und das vermeintlich weniger Gelungene malifizieren.
Der so entstehende Sog zum Aus-Der-Menge-Herausragenden bestimmt die Fallhöhe der Ernte, für die eine weitere Glorizifierung nicht glaubwürdig ist. Das Denken in relationalen Begriffen ist begrenzt in der möglichen ewigen Wiederkehr des immergleichen Superlativs. Wenn jeder Jahrgang ein Jahrhundertjahrgang ist, dann ist er eben auch nur ein gewöhnlicher Jahrgang.
Dem Bordeaux Jahrgang 2017 haftet die Ungunst der späten Geburt an, denn wer für das bestmögliche Urteil nicht rechtzeitig ist, für den bleibt nur das marginale Interesse derjenigen übrig, die sich für die Sache selbst und nicht nur für das Spektakel interessieren.
Der Frost, über den viel geschrieben wird, ist der Holzweg, auf dem man ins Abseits geraten kann, wenn man verstehen will, worin die Einzigartigkeit des Jahrgangs 2017 liegt.
Bordeaux 2017 ist "cool climate" mit Bedingungen, die diesem Begriff eigentlich zuwider laufen. Weder liegen die Weinberge hoch, noch kann sich ein kontinentales Klima ausprägen, noch war die Niederschlagsmenge unterdurchschnittlich.
Der Klimawandel jedoch, im Verbund mit der zunehmenden Erratisierung der Wetterverläufe, führte dazu, dass trotz Nässe und Kühle ein Reifegrad erreicht wurde, der so bisher nicht möglich schien.
Nur die von gesegnetem Terroir Begünstigten und diejenigen, die einen möglichen Mangel hier durch Fleiß und Inspiration ausgleichen können, haben Weine produziert, über die es zu berichten lohnt.
Hier zeigt sich, dass die Klassifikation von 1855 ein ausgezeichneter Kompass ist, Orientierung in Bewährtem zu finden. Wenn ich mich aber auf die Historie beziehe, dann tue ich dies auch in der Überzeugung, dass das, was die jeweilige Einstufung von 1855 zur Voraussetzung hatte, auch die Richtschnur ist, an der Kaufentscheidungen heute sinnvoll getroffen werden.
Mir scheint, es sei an dieser Stelle sinnvoll, zwei Sachverhalte zu Bedenken zu geben:
- das Zerstäuben der ehemals vor allem angelsächsisch dominierten Kritikerbranche motiviert die Erzeuger in Bordeaux zusehends, "Bordeaux comme Bordeaux" zu wagen
- "Das-In-Den-Fokus-Kommen" des Wissens um die genuine Exzellenz gerade im Beurteilen der eigenen Ernte in Relation zur "peer-group" und in vertikaler Ansehung durch diejenigen, die die finale Zusammensetzung des Weins entscheiden.
Dies ist nichts anderes als ein Plädoyer dafür, kein "Schnäppchen" in Bordeaux zu suchen, sondern Weine, die aus dem inneren Wirkzusammenhang ihres Wesens als günstig zu bezeichnen sind.
Das Medoc, das in der Spitze seiner Qualitätshierarchie eine in weiten Teilen beklemmend aktuelle Klassifikation zu bieten hat, ist hier leicht zu überblicken. Pessac Leognan ist etwas schwieriger, weil der Abwesenheit einer historischen Richtschnur ein Selbstbewußtsein der Spitzenerzeuger gegenübersteht, das in 2017 nicht genügend Spielraum für Preisrückgänge ließ.
Pomerol definiert sich durch sich selbst in der bewußten Abwesenheit einer Klassifizierung und lebt oftmals in der Illusion einer keine Testimonials nötig habenden Enklave. Hier ist besondere Vorsicht unterhalb der Fünfzigeuromarke geboten.
Saint Emilion ist eine Fundgrube individueller stilistischer Ausgestaltung auf höchstem Niveau. Neben Cheval Blanc und Ausone ist eigentlich kein Platz auf der Bühne der Besten, und die Riege der bekannten Namen, die an unterschiedlichen Stellen das Plateau in seiner ganzen Weite zum punktuellen Austragungsort der Kür der Zweitbesten machen, ist in 2017 nun mit Troplong Mondot wieder komplett und sehr homogen.
Während meine Subskriptionsofferte in den beiden Vorjahren ungleich mehr Auswahl versammelte, habe ich mich in diesem Jahr bewusst dafür entschieden, nur die Weine anzubieten, die ich für einen Vorabbezug interessant genug halte.
Wenn Sie meine Bewertungen mit denen des "Pulks" vergleichen, sehen Sie, dass ich nicht selten die höchsten Punkte gezückt habe. Ich tue das nicht, um den Tiedenhub zwischen 2015/16 und 2017 niedriger erscheinen zu lassen, sondern in der festen Überzeugung, richtig kalibriert zu sein.
Denn die Spitzenweine aus 2017 kommen nicht selten sehr nah an die beiden Vorjahre heran; manchmal sogar ist 2017 die bessere Alternative - wie z.B. beim grandiosen Beychevelle und dem köstlich neuartigen Troplong Mondot.
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Château de la Vieille Chapelle, Traditon 2017
Regulärer Preis: 17,50 €
Special Price 11,90 €
entspricht =15,87 € / 1 L