Flaschengröße:
6
Alkohol:
12,5%
Genussindex*: 20/20 Punkten
Clos du Jaugueyron 2010 Imperiale (6L)
Mit großer Leidenschaft und einem hohen Maß an Empathie gesegnet, bringt der Bodenflüsterer Michel Théron, den ich für eines der größten, mit natürlichen Interpretationsgaben bestens versehenen Talente im Médoc halte, in wahrhaft homöopathischen Mengen den Prototypen präziser Cabernetdistinktion in der Cru-Bourgeois-Liga in die Flasche. Ein wenig erinnert mich Michel an Friedrich Gulda, jenes überragende Musikgenie, das doch immer nur Talent sein wollte, indem er dezent im Hintergrund, ohne jedweden Anflug von Allüren, daran tüftelt, das hervorzubringen, was andere nicht ansatzweise in der Lage sind, den Böden und den Reben zu entlocken.
Aus einer ursprünglich sehr kleinen Lage von 2ha (die Wurzeln des Weinguts reichen in das Jahr 1898 zurück, als in Cantenac ein 0,6ha großes Rebland, das sich aus zwei Parzellen, Petit Jaugueyron und Grand Jaugueyron, zusammensetzte, erstmals erwähnt wird) konnte er in den letzten Jahren durch Zukäufe sein Anwesen im Haut-Médoc auf nunmehr 3,55ha erweitern (zwischenzeitlich waren es sogar knapp 5ha, mit der Umstellung auf biodynamische Bewirtschaftung hat er etwas mehr als 1ha Rebland wieder veräußert, weil er in seiner Margaux-Lage Clos du Jaugueyron knapp 2ha hinzunehmen konnte, und er mehr Fläche im Einmannbetrieb nicht bewirtschaften kann), so dass jetzt etwa 17 000 Flaschen vom Clos du Jaugueyron Haut-Médoc in Umlauf sind.
Es kann nicht genug betont werden, mit welcher Konzentration, akribischer Hingabe und schöpferischer Energie daran gearbeitet wird, das, was in der großen Skala auf Pontet-Canet passiert, hier, im kleineren Maßstab eines Einmannbetriebs, abzubilden – ohne dabei Eklektizismus zu betreiben. Was auf Pontet Canet mit dem Jahrgang 2010 bereits vollzogen wurde, die vollständige Umstellung der gesamten Rebfläche auf Biodynamie, befindet sich bei Michel Théron noch in der Konversion.
Man darf es als Glücksfall ansehen, dass die Größe des Weinguts dazu führt, dass es für viele Verkoster, die in ihrem Bestreben nach Akklamation auf große Ernten angewiesen sind, unter dem Radar liegt. Einzig René Gabriel macht hier eine Ausnahme, und es ist mehr als bezeichnend, wenn er in der Ausgabe 6/2011 vom WEINWISSER die Benotung für den 2009er von 17 auf 19 Punkten hochsetzt.
Weil ich die Geschichte, die sich hier im südlichen Médoc abspielt, so spannend finde, werde ich nicht müde, sie Ihnen, liebe/r Leser/in zu erzählen. Denn bei all dem Bedauern über die andere Seite des Médoc, die teuren und raren Crus, gibt es auch sie: die günstigen und ebenso raren Crus, denen die breite Anerkennung fehlt, die aber gerade deshalb vernünftig im Preis sind.
Ich möchte es an dieser Stelle einmal so formulieren: gerade in Deutschland wird sehr stark nach Punkten, wie sie die internationale Weinpresse vergibt, eingekauft. Im Kern liegt hier eine nicht unwesentliche Ursache der allgemein beklagten Preishausse begraben; denn es gibt sie immer, die Alternativen. Man braucht als Konsument aber das Vertrauen in die Nachhaltigkeit der Empfehlung, wenn es den Wiederhall der Weinkritik nicht gibt. Ich möchte Sie herzlich einladen, meiner Empfehlung, dem Bodenflüsterer Michel Théron zu lauschen, zu folgen. Mehr ehrlichen Wein gibt es zu diesem Preis nicht.
Verkostungsnotiz:
Der brillantrubine Clos du Jaugueyron wartet mit einem sehr noblen Nasenspiel, in dem die Hauptrolle an saftig-reife Beeren und dunkle Früchte vergeben ist, und an feinen Floralduft, Tabaktöne, Mineralassoziationen und die Würze exotischer Ferne die Nebenrollen, auf, um im Gewand großer Klarheit, mit dem natürlichen Druck reifen Cabernet-Extrakts, in schwebender Balance den Gaumen mit animierend frischem, sehr klar definierten Fruchtkleid mit feinster tanninwebung zu füllen. Mit großer mineralischer Frische, belebender Saftigkeit und beeindruckender Fruchttiefe, die das perfekte Augenmaß bei der Extraktion zeigt, gleitet diese Haut-Medoc-Rarität klassischer Prägung in spannungsvollem Wirkfluss einem eminent feinsinnigen, eleganten und langen Finale entgegen.
Matthias Hilse: 91-93 Punkte