Das Alphabet als Wette

Fast hat man den Eindruck, google, diese Suchmaschinenpythia, deren USP es ist, für uns Rätsel zu lösen, wollte des Spieß einfach einmal umdrehen. Nun sind wir an der Reihe, uns abzumühen mit der Befassung der Frage, wieso jetzt „Alphabet“ google in die Obhut einer übergeordneten Holding versetzt.

Geht es aber überhaupt um das Alphabet? Nimmt man die website der neuen Holding („www.abc.xyz“), so kommt einem unweigerlich Caesar in den Sinn, denn die Buchstaben des Alphabets sind auf Würfel verteilt. Die Anordnung der einzelnen Buchstaben hat aber kein System, resp. signalisiert Prognoseadversität.

Soll uns das sagen, dass die Würfel gefallen sind, und google das Alphabet als Symbol der Omnicognivität für sich beansprucht? Ob klein oder groß, ob auf dem Kopf oder in Seitenlage, alle Buchstaben, weil sie in Summe eben das, was wir als Alphabet zu bezeichnen gewohnt sind (was nebenbei bemerkt, wenn man sich das Alpha als „0“ und das Beta als „1“ vorstellt, selbst ein Binärcode ist) bilden, markieren damit ein mögliches Geschäftsfeld – jetzt aber nicht mehr von google, sondern von Alphabet.

Google sagt uns damit, dass es auch noch nicht weiß, wie viele Geschäftsfelder es geben wird, und wie oft ein Buchstabe dabei besetzt wird – weswegen er auch frei wie im Orbit schwebt.

Der neue Name, der ja eigentlich ein uralter ist, steht für das Programm: die Wette auf die „Alpha-Idee“. Im Deutschen sind wir es gewohnt, das Wort „Alphabet“ auf der Ultima (d.h. der letzten Silbe zu betonen).

Das neue „Alphabet“, dessen virtuelle Verortung unter www.abc.xyz sowohl für Beliebigkeit als auch für den semantischen Omnivor steht, hat aber seine Betonung auf der Antepaenultima: es geht wohl um nichts anderes als um die Wette über die Kontrolle der Eingangspforte zu einer zukünftigen Welt, von der Sergey Brin und Larry Page fürchten, sie könnte von jemand anderem codiert werden.

Alphabet ist somit nicht nur Gralshüterin, sondern auch die Hütte der Alchemisten mit einem schier unerschöpflichen Fundingreservoir. Wenn Larry Page auf der neuen website schreibt „…As part of that, we also said that you could expect us to make “smaller bets in areas that might seem very speculative or even strange when compared to our current businesses. “ „…, dann ist die Vergangenheit jetzt abgeschlossen und die Zeit für grössere Wetten angebrochen.

Wir sollten uns weniger Gedanken darum machen, ob es auch andere Firmen gibt, die den Begriff „Alphabet“ zu instrumentalisieren versuchen. Larry Page hat gerade ein Manifest verfasst, und anders, als z.B. das der Dadaisten, werden uns dessen Implikationen alle berühren.

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Katalog zur Bordeaux Subskription 2014

Beinahe jeder, der mit den Ausflüssen seiner intelligiblen oder sonstwie kreativen Produktivität ein Publikum erreichen möchte, sieht sich mit der Frage konfrontiert, in welcher Form die ökonomische Anerkennung in Zeiten, in denen es eine allgemeine Erwartungshaltung gibt, das Internet als omnivorer Marktplatz habe auch die spezialisiertesten Inhalte kostenfrei zur Verfügung zu stellen, heute überhaupt noch denkbar ist.

Der Datenhegemon Google honoriert zwar einerseits die Anreicherung einer Webseite mit Content; in dem Moment, in dem dieser aber der Verborgenheit der exklusiven Zugänglichkeit für einen seine Existenz in Form merkantiler Konkludenz honorierenden Kundenkreis entschwindet und allgemein verfügbar wird, schwächt Google als geniale Vergleichsplattform aber den, der viel Inhalt bietet (der ja irgendwie produziert werden muss und eben keine creatio ex nihilo darstellt), indem er demjenigen, der, weil er auf die Produktion von Inhalten verzichtet – also „genuines Humankapital“ einspart – und dadurch günstiger im Preis sein kann, monothematisch auf das Aufscheinen-Lassen der günstigsten Offerte ausgerichtet ist, den Vorteil superiorer Preisattraktivität andient.

In einem Dilemma, dessen Dimensionen sich in der möglichen Verweigerung von Contentproduktivität mit der damit verbundenen Vertiefung von Nichtexistenz oder umgekehrt in der Erzeugung von Eklektizismusopportunität in Form von Inhalten, nach deren Konsum der unbedarfte „User“ dann, quasi nun „bestens im Bilde“, getrost den Hafen ansteuern kann, der ihn mit den niedrigsten Anlegegebühren lockt, zeigen, braucht es die in der Hingabe an die Sache begründete Zuversicht, den Weg des grösseren Widerstands zu gehen.

Wir haben uns nun entschieden, dieses Dilemma, das ja die moderne Form des gordischen Knotens darstellt, dergestalt zu lösen, indem wir einerseits – zumindest auf das Thema Bordeaux bezogen – eine Webseite mit einer Fülle an Inhalten, die im deutschen Sprachraum sicherlich ohne Gleichen ist, ohne Zugangshürde anbieten, andererseits aber, nun auf die Subskription bezogen, einen mit einer Schutzgebühr versehenen Katalog erstellen, der in komprimierter Form zusätzlich zu den auf der Webseite versprengten Inhalten einige Farbtafeln mit Fotografien von Matthias Hilse enthält.

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Was die Apologeten kostenloser Inhalte gerne übersehen, ist das Argument der Preishaftigkeit von Zeit.

Derjenige, der sich ausführlich, z.B. über die Bordeaux Subskription 2014, informieren möchte, benötigt alleine für das Aufrufen der Einzelseiten, die sich zum Universum der AUX FINS GOURMETS-Gesamtofferte summieren, mehr als eine Stunde Zeit. Wenn dann einzelne Seiten noch ausgedruckt werden, um unterschiedliche Weine direkt gegeneinander zu vergleichen, kommen noch Kosten für Papier und Toner dazu.

Ein Argument, was aber bei einem Kulturerzeugnis wie Bordeauxwein, der ja eine explizite Lebenszeit mit einer dazugehörigen Lebenskurve, die meist erst einige Jahre nach der Flaschenabfüllung eine Phase erster Genussfähigkeit ausweist, eine enorme Rolle spielt, ist die zeitliche Dichotomie der Informationsgenese (nach der Fassverkostung) und des Informationsabrufs (in der Genussphase). Auch wenn man als Bordeauxkäufer sich in der Zeit der Subskriptionsphase mit Informationen online leicht versorgen kann, ist dies nach Ablauf einiger Jahre, wenn es dann darum geht, die Weine nicht nur zu verkosten, sondern das Verkostete dann auch mit einzelnen Kritikermeinungen zu kalibrieren, eher schwierig.

Hat man einen gedruckten Katalog zur Hand, der die Inhalte synoptisch leicht verfügbar macht, kann man sich viel leichter auf den Genuss des Weins einlassen, weil es da ein Kompendium gibt, in dem man das, was man gerne noch dazu wissen möchte, leicht nachschlagen kann. Der Katalog als Ausweis des Ruhens in der Zeit im Gegensatz zum Flirren des Ephemeren in kurzatmigen Online.

In diesem Sinne steht AUX FINS GOURMETS fortan für einerseits frei zugängliche Informationen im Netz und einen schutzgebührbewehrten Subskriptionskatalog als Druckerzeugnis andererseits.

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Chateau Canon 2014

Gerade in Saint-Emilion, wo es viele Weine für Schwerhörige in dem Sinn gibt, dass sie ihre Lebensgeschichte auf dem Jahrmarkt der Eitelkeiten mit allerlei Extraktionspopanz und Neuholzinszenierung zur Schau stellen, freut man sich über den Ausweis diametraler Verankerung. Chateau Canon ist eines der besonders schönen Beispiele für das Innehalten im Moment der schönsten Immanenz.

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Bewertungen:

Der wunderschöne Canon, der schon in seiner Namensgebung Klarheit und Prägnanz symbolisiert, ist einer der zartesten, feinsten und sublimsten Weine des Jahres. Mit einem Bukett von saftig-reifen und floral verspielten roten Früchten und Beeren, das einem Winkelmann’s „edle Grösse“ in den Sinn bringt, weil sich seine Erhabenheit in der Unschuld seiner Reinheit Bahn bricht, wirbt dieser Edel-Saint-Emilion mit seinem unprätentiösen Auftritt für die Genügsamkeit in sich selbst. Das Gaumenkonzert orientiert sich an einem in den feinen Verästelungen einer pianissimo-Partitur chiffrierten Flüstern und belohnt den der Geduld zugänglichen und „hellhörigen“ Verkoster mit einer im Ebenmaß schwebenden sensorischen Fülle von höchster Distinktion. Ein Wein, dessen Flüstern vielsagender ist als das laute Brüllen mancher seiner Peers.

Matthias Hilse: 93-95 Punkte

Subskriptionsindex: 19/20

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Chateau La Fleur Morange 2014

Chateau La Fleur Morange ist in vielerlei Hinsicht eine Rarität. Nicht nur, weil es von diesem begnadeten Wein im Durchschnitt nur 5.000 Flaschen gibt und auch nicht, weil die Reben hier im Mittel einhundert Jahre alt sind. Was nach einer Antinomie ausschaut, das Weingut mit dem Methusalem-Rebbestand als eines der Ikonen modern-zeitgemässer Saint-Emilion-Interpretation zu bezeichnen, bekommt bei näherer Betrachtung axiomatische Schlüssigkeit.

Gerade weil die Oldie-Reben die bestmögliche Form der Ertragsreduzierung liefern und die Größe des Weinbergs vollständige manuelle Tätigkeit ermöglicht, liegen die Dinge hier weit entfernt  von den High-Tech-Weinen, die Saint-Emilion so reich bevölkern.

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Bewertungen:

Der monolithisch-opak im Glas stehende Fleur Morange wirbt schon beim ersten Nasenrendezvous mit seinem reichen Beerenbouquet, das von dezenter floraler Würze unterlegt ist und mit einer feinen Graphitnote einhergeht, um die Gunst des Verkosters. Der seidig-elegante, saftig-frische, vibrant-animierende Gaumenfluss offenbart einen Wein von exquisiter Feinheit, pulsierender Souplesse und überaus filigraner Ästhetik. Wie in einem wohldifferenzierten Decrescendo, wo jeder Ton vermuten lässt, die maximale Anschlagsfeinheit sei mit ihm erreicht und damit eine weiteres „Weniger“ nicht mehr möglich, bringen immer feinere Fruchtandeutungen die Zunge in einen Zustand entzückter Wachsamkeit. In der nobelsten Form seduktiver Verführung, wo der Sinnenreichtum das Bewusstsein schärft ohne jeglichen Autonomieverlust, offenbart diese Rarität in einem delikaten Finale seine grazile Anmut und ausserordentliche Individualität.

Dies ist ein Wein für den besonderen intellektuellen Genuß, quasi ein archäolischer Tropfen, der den Reichtum der feinen Distinktion, der eben nicht überlagert ist von kraftstrotzender Fülle, zum Vorschein bringt. Wie schon in 2012 ist dies der Paradewein, um die Sinnhaftigkeit einer Subskription zu verstehen: er kann sehr gut leise und ist überaus rar.

Matthias Hilse: 92-94 Punkte

Subskriptionsindex: 20/20

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Chateau Montrose 2014 – Bordeaux

Mit dem Jahrgang 2014 scheint es mir in Bordeaux eine Wachablösung zu geben, die sich darin äussert, dass nach einigen Jahren, in denen der Protopauillac Pontet Canet der primus inter pares der Primeurkampagne war, nun der Saint-Estéphe-Archetyp Montrose, mit den Möglichkeiten, die der neue Keller im Sinne der Verwirklichung der Präzision der Weinbergsarbeit im Wein durch perfektionierte Parzellenarbeit bietet, das Feld des Primeurpeloton im gelben Trikot höchster Distinktion und Wesensverwirklichung anführt. In dem Moment, in dem solche Bordeauxlegenden wie die Chateaux Latour oder auch Palmer mit Hochdruck daran arbeiten, das Wirtschaften nach biodynamischen Konzepten in den Focus der Öffentlichkeitsarbeit zu stellen, um damit die Fahrt ganz vorne im Zug der Avantgarde zu verdeutlichen, unternimmt man hoch im Norden des Médoc, unter der Leitung des grandiosen Herve Berland, die Einkehr zu sich selbst im Herausschälen der Essenz, zu der dieses grandiose Terroir, früher nur erratisch, von nun an aber mit der Regelmässigkeit eines gut gestimmten Uhrwerks, fähig sein wird. Das schmälert in keiner Weise die Arbeit und die Ergebnisse von Pontet Canet, der Tross der Aufmerksamkeitsproduzenten wird sich aber, zumindest nach meiner Einschätzung, eher dem Topos der Verwirklichung von Potenz in ihrer Reinform widmen.

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Der Montrose des Jahres 2014 ist sowohl relativ als auch absolut ein überragender Wein, denn ihm gelingt es als einzigem, eine Silhouette zu entwickeln, die man einst mit der des grandiosen 2010er, der wiederum die Reinkarnation des in seiner Jugend so bulligen 1990er im Dior-Gewand asketischer Verdichtung ist, wird verwechseln können.

Wie gewohnt, personifiziert sich das Gewicht dieses edlen Saint-Estèphe in der Undurchdringlichkeit seiner Farbe, und es braucht eine gewisse Beschleunigung im Glas, bis sich aus dem dichten Schub, der dessen Umlaufbahn mit sensorischer Abundanz flutet, zunächst dunkle Beeren, dann aber auch Veilchen, Edelhölzer, Pfeffer, domestizierte Garriquenoten*, Tabak und dann immer mehr und immer wieder von feiner Mineralik und wunderschöner Frische durchzogene Fruchtanklänge, die ein kaleidoskopartiges Farbspektrum von rot über schwarz zu dezent blau im Spiel des eigenen Atmungsrhythmus zeigen, identifizieren lassen.

In der stupenden Gelassenheit aristokratischer Würde, mit den Insignien der Schwerkraftenthebung in fliegender Eleganz und einer im Ebenmaß perfekter Harmonie gegründeten Balance, gleitet der Montrose über die Zunge und inszeniert einen in dieser Dichte, Rasse und Willenskraft in diesem Jahr solitären organoleptischen Liveauftritt, dessen taktile Begrenzung dort, wo der Saft die Rachenwandung entlanggleitet, eine Ahnung von Transzendenz ob der unendlichen Feinheit der Brandung vermittelt. So, als ob es nur eine Nebensache und keiner besonderen Erwähnung wert sei, verbindet dieser Wein Kraft mit Fingerspitzengefühl, Konzentration mit Verve, Gewicht mit Schwung.

Mit einem von animierender, frischestrotzender und das Gewicht seiner Substanz sehr gut tragenden Mineralität beseelten Finale schreibt sich der Montrose 2014 tief in das Poesiealbum der Primeurlegenden ein.

* Um das in einem Bild zu verdeutlichen, würde ich die Aromatik des Pontet-Canet in ihrer irgendwie burschikosen Ungestümtheit, die alles in den Schatten stellt, was man bisher in Bordeaux kannte, mit der kolossal eindringlichen Intensität der Garriquelandschaft irgendwo in der Grande Crau südlich der Alpilles in der Provence assoziieren, während die Aromatik von Montrose, die ich oben als „domestiziert“ bezeichne, mich an den Kräutergarten eines 3-Sterne-Patron, erinnert. In Anlehung an den grossen „Chef“ der Pyramide in Vienne, Fernand Point, könnte man es auch so ausdrücken: die Aromatik des Montrose ist „au point“.

Matthias Hilse: 96-99 Punkte und Wein des Jahres in Bordeaux

Subskriptionsindex: 20/20

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Chateau Ducru Beaucaillou 2014

Dem Ducru Beaucaillou des Jahrgangs 2014 gebührt eine Sprache, die seine aussergewöhnliche Noblesse in einer ihr würdigen Semantik wiedergibt. Ein Versuch:

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Bewertungen:

Der Ducru Beaucaillou 2014 ist mit seinem im Herzen der Fruchtmitte eingelagerten Zaubergarten aristokratischer Wollust ein extrem in sich ruhender, majestätischer mit der hohen Kunst des Feinstschliffs geadelter Saint-Julien, der auf der Zunge gleitet wie eine Feder im Wind, erhaben, fein, extrem nuanciert, schlank, ohne dabei je irgend mager zu sein. In vollendeter Klarheit, mit der Würde dessen, der um seine innere Balance und das Ephemere des Alltäglichen weiss, macht er die Verprobung zu einem Moment des Verharrens und konzentrierten Staunens im Himalaya organoleptischer Erhabenheit. Wer ihn sich leisten kann, sollte es auch tun.

Matthias Hilse: 95-97 Punkte

Subskriptionsindex: 19,5/20

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Chateau Kirwan 2014 und Chateau Leoville Poyferre 2014

Chateau Kirwan 2014

Seitdem Philippe Delfaut die Geschicke dieses authentischsten aller Margaux Cru Classés leitet, hat sich mit Château Kirwan eine Metempsychose ereignet in der Art, dass das drittklassige Gewächs nun, ganz im Gegensatz zu den Zeiten, als Michel Rolland der Garant für hohe Parkerbewertungen war, beseelt ist vom Geist des richtigen Margaux-Maßes.

Chateau Kirwan, 3ème Grand Cru Classé en Margaux

Chateau Kirwan, 3ème Grand Cru Classé en Margaux

Bewertungen:

Der in seinem Wesen schlanke, überaus klarfruchtige, sehr elegante, animierend frische und präzis säuredotierte Kirwan zeigt in seiner grazilen Erscheinung den Reichtum feinst abgestufter Nuancierung, für deren Wahrnehmung es Zeit und Sinn braucht. Wer es nicht vermag, sich in den pianissimo-Teil dieser äußerst delikaten Margauxpartitur hineinzuhören, dem entgeht womöglich gerade das, was die feinen Rosen- und Veilchendüfte dem Exegeten zuflüstern. Das ist im 30-Euro-Bereich der authentischste, reinste und klarste Margaux mit wunderbarer Zukunftsperspektive und beachtlicher Bodenhaftung.

Matthias Hilse: 91-93+ Punkte

Subskriptionsindex: 19/20

Chateau Leoville Poyferre 2014

Saint-Julien ist die Gemeinde mit der höchsten Dichte klassifizierter Weine, und es ist durchaus nicht leicht, den einzelnen Gütern eine konzisen Beschreibung, die den Punkt der Distinktion am Besten trifft, zu geben. Bei Léoville Poyferré hingegen darf man wohl vom feurigsten und damit wohl auch vom leidenschaftlichsten der großen Weine sprechen.

Chateau Léoville Poyferré, 2ème Grand Cru Classé en Saint Julien

Chateau Léoville Poyferré, 2ème Grand Cru Classé en Saint Julien

Bewertungen:

Zurückhaltung ist nicht die Sache dieses in satter Farbpracht im Glas stehenden Saint-Julien. In wunderschöner Distinktion den anderen beiden Leoville’s gegenüber trägt der Poyferre seine Offenherzigkeit, die ihn nicht geizen lässt, die aussergewöhnliche olfaktorische Opulenz, mit der er die Nase des Verkosters mit Körben voller schwarzer Beeren, einem noblen Edelholztouch und einem Aromenwurf von grossartiger Verve mit zarter Kaffeedurchdringung verwöhnt, quasi auf der Zunge. In äußerst verführerischer Anmutung, mit einer höchst seduktiven Fruchtrobe, lädt dieser voluptuöseste aller Saint-Juliens zu einem Gaumenrendezvous von berauschender Souplesse. In gewissem Sinn ungeniert und burschikos, bewegt sich der Leoville Poyferre sehr gekonnt im Grenzbereich zwischen der Wucht der Fülle und der klaren Definition seiner Herkunft, ohne dabei je undiszipliniert zu sein. Meine Empfehlung.

 

Matthias Hilse: 93-95 Punkte

Subskriptionsindex 18,5/20

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Comeback einer Diva

Von einer Diva erwartet man den grossen Auftritt, eine gewisse Extravaganz, ja fast das Unterhörte; umgekehrt braucht sie zur Entfaltung den grossen Bahnhof, der Auftritt auf einer kleinen Bühne wäre für sie eine Beleidigung. Nun, mit dem Jahrgang 2014 ist die göttliche Comtesse zurück. In den letzten Jahren war sie etwas in eine Sinnkrise geraten, schließlich musste sie lernen, den Anforderungen eines USP, wie es das 21.Jahrhundert gnadenlos fordert, gerecht zu werden. Weil man es einfach nicht gewohnt war, sich mit solch profanen Dingen ins Benehmen zu setzen – und Sie mithin in dem Moment, als die anderen grossen Terroirs im Allgemeinen, und die Pauillacs im Besonderen, die Unerhörtheit besassen, mit ihren Philosophien, allen voran natürlich Pontet-Canet, der Primadonna den Rang streitig zu machen, keine Antwort parat hatte ausser der, wild um sich schlagend, das Heil in der Hektik zu suchen, anstatt sich auf ihre innere Stärke zu besinnen. Nach einer Abmagerungskur, die ihr im letzten Jahr die Souplesse der Merlots und deren Entourage versagte (und nicht wenige Verkoster diese sortenreine Diätausgabe, die einstmals sogar ein grosser Wein sein kann, mit einer grossen Comtesse verwechseln liess), feiert die Latournachbarin in diesem Jahr ein grossartiges Comeback!

Kapsel Château Pichon Comtesse

Kapsel Château Pichon Comtesse

So, als wäre sie nie weggewesen, steht die Comtesse mit dem Selbstbewusstsein dessen, der weiss, wie man den Blick gekonnt von oben auf die begierige Masse herabgleiten lässt, im Glas, und ihre beachtliche Opazität korrespondiert hervorragend mit ihrer Farbbrillanz. Gäbe es je so etwas wie ein Nasen-Happening, hier würde man meinen, man wäre mittendrin, entströmen der Probe doch bereits beim ersten Anschwenk überaus reiche Duftschübe dunkler Beeren, in die Schokonoten, Pfeffertöne, Veilchenanklänge ebenso wie Mintfrische, Lakritze und auch schwarze Oliven eingewoben sind. In der Manier personifizierter Zartheit, im Gewand purer Eleganz, majestätisch in der scheinbaren Enthebung von Schwerkraft und mit fast perfekter Brillanz gleitet dieser dominant dunkelbeerige Seidentraum mit der Frische morgendlicher Kühle reibungslos, weil die Tanningewandung so unglaublich filigran gewirkt ist, in nobler Haltung, schörkellos und in tiefem Bewusstsein innerer Grösse über die Zunge und zeigt die selten zu sehende Facette hedonistischer Grazie.

Bewertungen:

Matthias Hilse: 94-97+ Punkte

Subskriptionsindex: 20/20

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Bordeaux 2014 – der Jahrgang mit dem langsamem Puls par excellence

Es liegt immer eine gewisse Aufregung über der Zeit, in der in einem Akt serieller Iteration die Bordeauxweine der letzten Ernte in einem Publizierungsmodus, der dem Treiben, wie es einstmals an den Präsenzbörsen üblich war, nicht unähnlich ist, an den Markt gebracht werden. Vom Schleier einer undurchsichtigen Dramaturgie verhüllt, bleibt der mit den Châteaux als Kontraktpartner verbundenen Händlerschar nichts anderes übrig, als der Neuigkeiten zu harren, die das Tempo ihres Geschäfts bestimmen. Denn ähnlich einem Raubtier, das seine Energie auf den Moment ausrichtet, für dessen Metier der Fotograf Henri Cartier-Bresson den Begriff „moment décisif“ prägte, muss der Händler in dem Moment zuschlagen, wenn ein Wein an ihm vorüberzieht, der schon einen Wimpernschlag später in den unendlichen Weiten globaler Nachfrage entschwunden ist.

Bordeaux-blog

Keine andere Weinbauregion dieser Welt hat die Chuzpe, einen solchen Aufmerksamkeitsknebelungsvertrag mit denen, die die Distribution ihrer Weine organisieren, zu schliessen. Die Hypertonie ist also der Grundtonus und der Augenblick das Zeitmaß für Weine, die zu ihrer Entwicklung absolute Ruhe und ein Abwarten, das sich manchmal in Jahrzehnten bemisst, erfordern.

So ist es fast ein Wunder, dass in einer Zeit, die sich selbst zu überholen scheint, ein Jahrgang in das Visier der Marktschau gelangt, der denen, die von der Verkürzung der Intervalle so affiziert sind, dass Hochfrequenz das Normale für sie zur Zeitlupe verlangsamt, mit der Unbeirrbarkeit dessen, der sein eigenes Maß verinnerlicht hat, signalisiert: immer mit der Ruhe!

2014 ist vor allem ein Jahr ohne Sommer mit einem sommerlichen Herbst und einer Verschiebung ganzer Jahreszeitenblöcke. Der Klimawandel bringt es mit sich, dass „kein Sommer“ nicht bedeutet, Vegetationsprozesse wären dergestalt beeinträchtigt, dass kein Altweibersommer lang genug sein könnte, eine Ernte bei voller phenolischer Reife zu gewährleisten. Das Wissen um das richtige Tun zu passender Zeit ist heute so perfektioniert, dass 2014 Weine hervorbringen wird, die denen aus 1996 oder 2001, wo es ähnliche Witterungsverläufe gab, in den Punkten aromatischer Präzision und Fruchtbrillanz, aber auch Gerbstofffinesse, überlegen sein werden.

Wer je „Die Entdeckung der Langsamkeit“ von Stan Nadolny gelesen hat und wem der Gedanke nicht irrig scheint, alles habe seine Zeit, der kann sich möglicherweise vorstellen, dass das, was mit „Entschleunigung“ als Gegenentwurf zur Tempoverzückung, die mit den Futuristen bereits in die Welt kam, gemeint ist, einer Sache schon in ihrem Werden gut tut, die zu ihrer Entfaltung noch Olympiaden braucht.

Nein, Opulenz ist kaum zu finden in diesem Jahr, das so ganz anders als 2009 ist, und selbst wenn er noch lebte, wäre Rubens nicht der geeignete Künstler für das Mouton-Etikett 2014. Wer aber ein Faible für die leisen Töne und das Faszinosum ihrer Distinktion hat, wem Grönemeyers „Sie hört Musik nur wenn sie laut ist…“ keine Hymne auf das Fortissimo im sinnlich Wahrnehmbaren ist, der wird seine Freude daran haben, sich auf einen Jahrgang einzulassen, der seine Stärke im Gleichmaß und der Balance, in seiner Brillanz und seiner aromatischen Finesse hat.

Wenn Château Margaux, von dem man wird nicht sagen wollen, dass es je in den letzten 30 Jahren der Fortüne entbehren musste, den eigenen Wein nicht überaus präzise in seiner jeweiligen Substanz in die qualitativ chronologisierte Ahnengalerie einzuordnen, 2014 als einen Jahrgang einer neu zu definierenden Zwischenwelt bezeichnet, dann ist damit auch diese letzte bordelaiser Ernte insgesamt im Koordinatensystem des Zeitkontinuums verortet.

Für viele sicherlich überraschend, weil man jetzt so viel mehr über die nachgerade verblüffende Renaissance des Jahrgangs 2012 hört, der doch viel spannender sei und mit seiner baldigen allgemeinen Verfügbarkeit dem Makel eines jeden Primeurjahrgangs, noch seiner Abfüllung harren zu müssen, enthoben, schätzen die Verantworlichen auf Chateau Margaux ihren Jahrgang 2014 knapp unterhalb 2000, 2003, 2005, 2009 und 2010 ein, aber über allen anderen Jahrgängen der jüngeren Zeit.

Im Sinne von Bob Dylans „Talkin‘ World War III Blues“, in dem es heisst: „…“Half of the people can be part right all of the time. Some of the people can be all right part of the time. But all of the people can’t be all right all of the time.“ I think Abraham Lincoln said that. “I’ll let you be in my dreams if I can be in yours”. I said that.“ meine ich, dass 2014 in Bordeaux nicht nur auf Château Margaux ein Traum von einem Wein vinifiziert wurde.

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Bordeaux Subskription 2014 – Rauzan Segla und Batailley

Château Rauzan-Segla 2014

Im Margaux-Konzert spielt Rauzan-Ségla zwar nicht die erste Geige; wenn es aber darum geht, die eigene Klasse mit den Mitteln introvertierter Unnahbarkeit zu camouflieren, dann gibt es kein zweites Cru, das dies besser könnte. Man ist durchaus auf der richtigen Fährte, wenn man annimmt, wer aus gleichem Hause stamme wie eine Parfümlegende, die nur eine Nummer trägt, könne nichts anderes sein als die Essenz, die der Unterschied ist.

Im Gewand dichter Farbopulenz entwickelt der Rauzan Segla ein Bouquet von satter, klarer und sehr aromatischer Dunkelbeerigkeit, über der der feine Hauch mineralischer Kühle schwebt und in die dezente Nuancen von Tabak und Veilchen eingewoben sind. In grazilem Gleiten, getragen auf einem überragend feinen Tanninteppich, schwebt der Wein im Gaumen und entfaltet ein Gaumenkonzert von feinster Harmonie und nobler Balance. Mit Delikatesse, graziler Haltung und erhabenem Schwung gleitet der Rauzan Segla zu einem Finale von animierender Frische und Aromatik.

Matthias Hilse 92-95 Punkte

Subskriptionsindex: 18/20

Chateau Rauzan-Ségla, 2ième Grand Cru Classé en Margaux

Chateau Rauzan-Ségla, 2ième Grand Cru Classé en Margaux

Château Batailley 2014

Versteht man den Jahrgang 2014 als einen, der ja mit seinem finalen Endlossommer keinerlei Anlaß für Aktionismus bot, des niedrigen Pulses, dann ist Batailley mit der am wenigsten „aufgeregte“ Wein. Es braucht schon Verantwortliche, die im sicheren Wissen um das Geschehen der Dinge diese dort laufen lassen, wo ein Eingriff deplaziert wäre. Philippe Castéja zeigt in seinem Wesen diese Umsicht, und so ist der Batailley des Jahres 2014 die zarteste Versuchung, seitdem hier Wein bereitet wird.

Die tiefdunkle Farbe und das eher opulente Nasenspiel mit satten, aromatischen und frischetragenden Beeren, der typischen Graphitnote, dem feinen Veilchentanz und dem mineralischen Geläut in den Obertönen sind fast ein Schutzschild, hinter dem sich ein zarter, sehr eleganter, fast schon flüsternder Pauillac beinahe etwas scheu im Gaumen umtut. Im Verlauf fortwährender Schlürfrunden entfaltet dieser eminent balancierte, stringente, geradlinige Batailley eine Zungenperformance von graziler Verve mit einem Finale von aromatischer Delikatesse.

Matthias Hilse: 90-93 Punkte

Subskriptionsindex: 19/20

Chateau Batailley

Chateau Batailley, 5ème Grand Cru Classé in Pauillac

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