Chateau Montrose 2014 – Bordeaux

Mit dem Jahrgang 2014 scheint es mir in Bordeaux eine Wachablösung zu geben, die sich darin äussert, dass nach einigen Jahren, in denen der Protopauillac Pontet Canet der primus inter pares der Primeurkampagne war, nun der Saint-Estéphe-Archetyp Montrose, mit den Möglichkeiten, die der neue Keller im Sinne der Verwirklichung der Präzision der Weinbergsarbeit im Wein durch perfektionierte Parzellenarbeit bietet, das Feld des Primeurpeloton im gelben Trikot höchster Distinktion und Wesensverwirklichung anführt. In dem Moment, in dem solche Bordeauxlegenden wie die Chateaux Latour oder auch Palmer mit Hochdruck daran arbeiten, das Wirtschaften nach biodynamischen Konzepten in den Focus der Öffentlichkeitsarbeit zu stellen, um damit die Fahrt ganz vorne im Zug der Avantgarde zu verdeutlichen, unternimmt man hoch im Norden des Médoc, unter der Leitung des grandiosen Herve Berland, die Einkehr zu sich selbst im Herausschälen der Essenz, zu der dieses grandiose Terroir, früher nur erratisch, von nun an aber mit der Regelmässigkeit eines gut gestimmten Uhrwerks, fähig sein wird. Das schmälert in keiner Weise die Arbeit und die Ergebnisse von Pontet Canet, der Tross der Aufmerksamkeitsproduzenten wird sich aber, zumindest nach meiner Einschätzung, eher dem Topos der Verwirklichung von Potenz in ihrer Reinform widmen.

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Der Montrose des Jahres 2014 ist sowohl relativ als auch absolut ein überragender Wein, denn ihm gelingt es als einzigem, eine Silhouette zu entwickeln, die man einst mit der des grandiosen 2010er, der wiederum die Reinkarnation des in seiner Jugend so bulligen 1990er im Dior-Gewand asketischer Verdichtung ist, wird verwechseln können.

Wie gewohnt, personifiziert sich das Gewicht dieses edlen Saint-Estèphe in der Undurchdringlichkeit seiner Farbe, und es braucht eine gewisse Beschleunigung im Glas, bis sich aus dem dichten Schub, der dessen Umlaufbahn mit sensorischer Abundanz flutet, zunächst dunkle Beeren, dann aber auch Veilchen, Edelhölzer, Pfeffer, domestizierte Garriquenoten*, Tabak und dann immer mehr und immer wieder von feiner Mineralik und wunderschöner Frische durchzogene Fruchtanklänge, die ein kaleidoskopartiges Farbspektrum von rot über schwarz zu dezent blau im Spiel des eigenen Atmungsrhythmus zeigen, identifizieren lassen.

In der stupenden Gelassenheit aristokratischer Würde, mit den Insignien der Schwerkraftenthebung in fliegender Eleganz und einer im Ebenmaß perfekter Harmonie gegründeten Balance, gleitet der Montrose über die Zunge und inszeniert einen in dieser Dichte, Rasse und Willenskraft in diesem Jahr solitären organoleptischen Liveauftritt, dessen taktile Begrenzung dort, wo der Saft die Rachenwandung entlanggleitet, eine Ahnung von Transzendenz ob der unendlichen Feinheit der Brandung vermittelt. So, als ob es nur eine Nebensache und keiner besonderen Erwähnung wert sei, verbindet dieser Wein Kraft mit Fingerspitzengefühl, Konzentration mit Verve, Gewicht mit Schwung.

Mit einem von animierender, frischestrotzender und das Gewicht seiner Substanz sehr gut tragenden Mineralität beseelten Finale schreibt sich der Montrose 2014 tief in das Poesiealbum der Primeurlegenden ein.

* Um das in einem Bild zu verdeutlichen, würde ich die Aromatik des Pontet-Canet in ihrer irgendwie burschikosen Ungestümtheit, die alles in den Schatten stellt, was man bisher in Bordeaux kannte, mit der kolossal eindringlichen Intensität der Garriquelandschaft irgendwo in der Grande Crau südlich der Alpilles in der Provence assoziieren, während die Aromatik von Montrose, die ich oben als „domestiziert“ bezeichne, mich an den Kräutergarten eines 3-Sterne-Patron, erinnert. In Anlehung an den grossen „Chef“ der Pyramide in Vienne, Fernand Point, könnte man es auch so ausdrücken: die Aromatik des Montrose ist „au point“.

Matthias Hilse: 96-99 Punkte und Wein des Jahres in Bordeaux

Subskriptionsindex: 20/20

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