Comeback einer Diva

Von einer Diva erwartet man den grossen Auftritt, eine gewisse Extravaganz, ja fast das Unterhörte; umgekehrt braucht sie zur Entfaltung den grossen Bahnhof, der Auftritt auf einer kleinen Bühne wäre für sie eine Beleidigung. Nun, mit dem Jahrgang 2014 ist die göttliche Comtesse zurück. In den letzten Jahren war sie etwas in eine Sinnkrise geraten, schließlich musste sie lernen, den Anforderungen eines USP, wie es das 21.Jahrhundert gnadenlos fordert, gerecht zu werden. Weil man es einfach nicht gewohnt war, sich mit solch profanen Dingen ins Benehmen zu setzen – und Sie mithin in dem Moment, als die anderen grossen Terroirs im Allgemeinen, und die Pauillacs im Besonderen, die Unerhörtheit besassen, mit ihren Philosophien, allen voran natürlich Pontet-Canet, der Primadonna den Rang streitig zu machen, keine Antwort parat hatte ausser der, wild um sich schlagend, das Heil in der Hektik zu suchen, anstatt sich auf ihre innere Stärke zu besinnen. Nach einer Abmagerungskur, die ihr im letzten Jahr die Souplesse der Merlots und deren Entourage versagte (und nicht wenige Verkoster diese sortenreine Diätausgabe, die einstmals sogar ein grosser Wein sein kann, mit einer grossen Comtesse verwechseln liess), feiert die Latournachbarin in diesem Jahr ein grossartiges Comeback!

Kapsel Château Pichon Comtesse

Kapsel Château Pichon Comtesse

So, als wäre sie nie weggewesen, steht die Comtesse mit dem Selbstbewusstsein dessen, der weiss, wie man den Blick gekonnt von oben auf die begierige Masse herabgleiten lässt, im Glas, und ihre beachtliche Opazität korrespondiert hervorragend mit ihrer Farbbrillanz. Gäbe es je so etwas wie ein Nasen-Happening, hier würde man meinen, man wäre mittendrin, entströmen der Probe doch bereits beim ersten Anschwenk überaus reiche Duftschübe dunkler Beeren, in die Schokonoten, Pfeffertöne, Veilchenanklänge ebenso wie Mintfrische, Lakritze und auch schwarze Oliven eingewoben sind. In der Manier personifizierter Zartheit, im Gewand purer Eleganz, majestätisch in der scheinbaren Enthebung von Schwerkraft und mit fast perfekter Brillanz gleitet dieser dominant dunkelbeerige Seidentraum mit der Frische morgendlicher Kühle reibungslos, weil die Tanningewandung so unglaublich filigran gewirkt ist, in nobler Haltung, schörkellos und in tiefem Bewusstsein innerer Grösse über die Zunge und zeigt die selten zu sehende Facette hedonistischer Grazie.

Bewertungen:

Matthias Hilse: 94-97+ Punkte

Subskriptionsindex: 20/20

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