Château Calon-Segur 2013

Es regnete in Strömen, der Wind peitschte das fallende Nass mit Wucht an meinem Schirm, den ich wie einen Degen gegen die Tropfen führte, vorbei, so dass ich ein wenig betröpselt durch den Keller in den Verkostungsraum auf Chateau Calon Segur schritt.

Keller von Chateau Calon Segur, Foto: © Matthias Hilse

Keller von Chateau Calon Segur, Foto: © Matthias Hilse

Wer aufmerksam die Ergebnisse der letzten Jahrgänge seit 2008 verfolgt hat, ist nicht unbedingt überrascht, dass hier, auf einem der nördlichsten Punkte des Médoc, eine der gelungendsten Proben dieses an Enttäuschungen nicht armen Jahrgangs zu verkosten war. Zusammen mit Vieux Château Certan ist Calon-Segur für mich der Finessefixstern, so wie Tertre-Roteboeuf und Pontet-Canet das andere Ende denkbarer stilistischer Disparität besetzen. Hier Askese in Reinform, dort abundante Fülle.

Mit grossem Herz: Ch. Calon Segur, Foto © Matthias Hilse

Mit grossem Herz: Ch. Calon Segur, Foto © Matthias Hilse

Verkostungsnotiz:

Schon die erste Annäherung der brillantrubinen Calonprobe an die Nase läßt die Dimension dieses Weins erkennen. Mit fast beispielloser olfaktorischer Noblesse, als ob das von einem peripheren Dunkelbeersaum umschwungene Rotfruchtauge dem morgendlichen Almaufstieg an einem sonneversprechenden Spätsommertag in seiner kühlen und klaren Frische entnommen sei, setzt der Calon Segur in seinem Gaumenprolog Maßstäbe der Distinktion. Der Fruchtfluss ist geradezu von epischer Schönheit, der tief in sich ruhende Wein balanciert perfekt auf dem von säureanimierter Frische zum Punkt elegantester Gerbstoffanmutung gespannten Hochseil substanzieller Ausgewogenheit, die in dem Sinne asketisch ist, in dem nur das enthalten ist, was der Expression eines kühlen Nordmédoc-Saint-Estèphe-Terroirs wesensimmanent ist. Wenn es nicht plagiatverdächtig wäre, müsste man sagen, dies sei die bordeauxproveniente Version eines leisen Weins.

Wer die idealtypische Eleganzversion möglicher Saint-Estèphe-Interpretation in ihrer Reifephase in 10Jahren fortwärts erleben möchte, ist gut beraten, dieses 2013er Juwel nicht zu versäumen.

Matthias Hilse: 93-95 Punkte

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