Gedanken zu einem Jahrhundertjahrgang

Die Signale von jenseits des Atlantiks gleichen einem Verwirrspiel, wobei nicht ganz klar ist, wer spielt und mit wem gespielt wird. Ein Teil der Kritikerelite, die durch ihre eifrigen Akklamationen die Länge des Schattens, den der Bordeaux-Jahrgang 2009 schon sehr früh zu werfen begann, beinahe ins Unendliche getrieben haben, desavouieren nun in ihren Arrivage-Noten einen Teil des Urteils, so dass man sich verwundert fragen könnte, ob denn nicht initial der Sonnenstand fehlerhaft ermittelt wurde. Wie kann es sein, dass dieser große, in der Breite herausragende Jahrgang keinen perfekten Wein hervorgebracht hat? Gerade im Hause der „Anwaltskanzlei Wein“, in dem man seit einiger Zeit sybillinisch in Stereo coram publico geht, sind die Abweichungen der englischen Zunge gegenüber dem amerikanischen Patron aus Monkton eklatant.

Konnte man bis vor wenigen Tagen noch den Eindruck bekommen, das Post-2005-Procedere wiederhole sich eine Olympiade später, lassen sich neuere, noch recht kryptische Andeutungen des Orakels aus Maryland so interpretieren, dass sich die dem Jahrhunderturteil zugrunde liegende degustatorische Primeur-Evidenz in auch in Arrivage-Höchstnoten manifestiert. Jedenfalls konnte man schon einmal einen kleinen Vorgeschmack auf das Spektakel, was uns in Kürze erwartet, bei der Veröffentlichung der Bewertungen von James Suckling, ehemals in Diensten des Wine Spectator, nun in eigener Sache unterwegs, bekommen.

Der Attentismus, der den Primeurjahrgang 2009 in seiner finalen Phase bisher gekennzeichnet hat, ist auf einmal hektischer Betriebssamkeit gewichen. Denn auf einmal schwirrt eine Liste mit Weinen, die im Markt gesucht sind, pfeilschnell zwischen den Servern hin- und her. Um es im Bankjargon, über den man ja seit Monaten täglich bestens unterrichtet wird, zu sagen: war es bisher à la mode, Risikoaktiva in Form möglicherweise überteuerter, weil schlecht bewerteter Mythen, abzubauen, werden nun eiligst Positionen aufgebaut, um den Nachfrageansturm bedienen zu können.

Kunden, die dem eindeutigen Urteil des Verfassers vor 18 Monaten gefolgt sind, können sich auf beides freuen: sensationelle Weine und eine globale Nachfrage nach ihnen.

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