Sibyllinische Zeichen

So als ob die Winzer uns Verbraucher schon einmal darauf einstimmen möchten, dass man mit den besten Tropfen aus dem Wunderjahrgang 2010 das Wesen des Zuwartens in seiner ganzen Komplexität am besten durch entschleunigte Abstinenz erfasst, wurde uns im Falle der Bordeaux Subskription 2010 bisher eine ganze Menge an spannungsschlaffem Primeurwerk geboten.

Nun aber, nachdem mit Château Beychevelle ein Versuchsballon gegen den Lauf der Sonne gestartet wurde und Château Sociando Mallet konzidiert, dass ohne die „grande distribution“ das Preisniveau neu kalibriert werden muss, purzeln die Offerten nur so aus den Newstickern der Negociants. Betrachtet man dabei die im Vorfeld  der Primeurkampagne heißt diskutierte Frage, ob die Preise nun fallen, gleich bleiben oder steigen, so lautet die unvermutete Antwort: sie tun alles zusammen.

Offensichtlich ist im Hintergrund ein beträchtlicher Kunden-Migrationsprozeß im Gange, der der Motor dieser äußerst disparaten Entwicklung ist. Jenseits der Beobachtung, die man mit Amusement oder auch mit heftigem Kopfschütteln begleiten kann, dass eine irgendwie geartete chinafreundliche Anmutung eines Weins ausreicht, die bisherigen Käufer in den klassischen Märkten zur Kapitulation zu bewegen, ergibt sich die Frage, was die bisherigen Kunden denn ersatzweise kaufen.

Nun ist offensichtlich, dass die meisten Cru-Bourgeois-Weine 2010 etwa gleich teuer sind wie 2009, die Saint-Emilions nicht selten etwas günstiger und die mehr  arrivierteren Crus der linken Seite meist um etwas mehr teurer sind als man auf der anderen Seite günstiger ist.

Ohne schon Details zu kennen, darf man vermuten, dass diejenigen Châteaux in 2010 am erfolgreichsten sein werden, die die höchste Alternativopportunität haben. Der absolute Überflieger in dieser Kategorie könnte Château Pontet-Canet werden, sofern man es mit dem Preisanstieg nicht übertreibt (das Gleiche gilt für Château Beausejour Duffau in Saint-Emilion). In Pomerol könnte der Oscar an Château Gazin gehen, wenn auch dem breiteren Publikum bewußt wird, dass die qualitativen Alternativen allesamt viel teurer sind.

In Margaux könnte Clos du Jaugueyron, nun, da es davon etwas mehr Wein gibt als fast nichts, eine ernsthafte Alternative zu den arrivierten Namen sein, denn mehr Margaux für gleiches Geld gibt es anderswo ohnehin nicht.

Auf jeden Fall werden die Kunden gut beraten sein, genau abzuwägen zwischen den Alternativen. Das wird in 2010 schwieriger sein als im Jahr zuvor, und daher haben die Châteaux ihrer eigenen Sache bisher einen Bärendienst erwiesen, indem sie durch ihren lächerlichen Attentismus den Spannungsbogen, auf dessen Zugkraft sie gerade angewiesen sind, nicht haben anziehen lassen.

Heute nun endlich wurde unsere Geduld mit einer ganzen Schar von Preislancierungen wie für die Châteaux Belgrave, Fonroque, Monbrison, Sanctus, Pierre de Lune, du Terte und Lafon Rochet belohnt. Hier zumindest ist die Wahl keine Qual.

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