Weinmarathon 5. Tag: 08. April 2011 Das vorläufige Ende

Ursprünglich war angedacht 10 Tage in Bordeaux zu verbringen, da wir aber in den nächsten Tagen größere Veränderungen mit unserem Shop und unserem gesamten Online-Auftritt vorhaben, musste der Zeitrahmen leider gestrafft werden. Somit waren wir also an unserem letzten Verkostungstag angekommen und hatten als ersten Termin um 9.00Uhr La Mission Haut Brion (zusammen mit Haut Brion) im Terminkalender.

Was sicher ist: bei diesen Weinen wir der Alkohol von den dazu Berufenen thematisiert werden. Um 15 Volumenpunkte wird er wohl betragen. Ich kann das Trompeten jetzt schon hören. ABER: wo in dieses Horn getrötet wird, da hat man wertvolle Zeit und noch wertvollere Zeilen verschwendet, statt der Aufgabe nachzukommen, über zwei grandiose Weine zu berichten. In der Zukunft wird der Alkohol bei diesen Weinen nie wieder ein Thema sein, über das man sprechen wird. Denn das einzige, was zählt, ist Ihre Monumentalität!

Beide Weine sind in sich so ausgeglichen und von vollendeter Harmonie, dabei fest und erhaben, dass sie mit zu den allergrößten Weinen des Jahrgangs 2010 zählen werden. Nicht der vorurteilsbehaftete Kopf sollte an den Wein herantreten, sondern allein die Sinne, die – frei nach Goethe – nie irren können.  Ihnen vermitteln sie ein Erlebnis wunderbarer Perfektion.

Derart kallibiert ging es nach Libourne zu Moueix, wo die gesamte Palette des Handelshauses sehr zu überzeugen wusste. Gerade in einem Jahr, in dem man der natürlichen Konzentration durch sehr behutsame Extraktion zu begegnen hatte, zeigt der Altmeister Christian Moueix, wie der Flug der Finessenfee der stumpfen Wucht der Tanninboliden leicht den Rang abläuft.

Als letzten Termin des Tages um 16.00Uhr schließlich noch ein Termin auf Trotte Vieille, um die Weine des dazugehörigen Handelshauses zu probieren, u.a. auch einen nach 2009 erneut vorzüglich gelungenen Ch. Batailley.

Um 18.00Uhr ging es dann per Nachtfahrt in die Heimat zurück. Wir nutzen die ersten ruhigen Stunden zur Aufarbeitung der vergangen Tage in Bordeaux. Worüber wir uns einig waren: es hatte riesigen Spaß gebracht trotz Hitze und extrem vollen, leider ab und an sogar überfüllten Verkostungen. Manch unglaublicher Wein hat alle Unannehmlichkeiten mehr als kompensiert…

Als Resümee lässt sich festhalten, dass die Vergleiche mit legendären Vorgänger-Paarjahrgängen wie 1989 und 1990 durchaus ihre Berechtigung haben, obgleich man der beeindruckenden Wucht aus opulentem, hedonistischen 2009er Weinen und überragend klaren, aristokratischem 2010ern damit in dem Sinne fast nicht gerecht wird, sie komparativ auf eine Stufe zu setzen. Zumindest auf der linken Seite, im Médoc und Pessac-Léognan, gibt es viele in ihrer jeweiligen Klasse herausragende Weine, und die großen Terroirs haben monumentale Fassmuster präsentiert, die dort, wo 2009 nicht schon perfekt war, den Vorjahrgang überragen konnten.

Lässt man den Blick jenseits der Premiers – die aufgrund ihrer Preisbasis noch einmal in einer ganz anderen Welt angesiedelt sind – schweifen, so sind in diesem Jahr in den paradiesischen Gärten der potentiellen Perfektion gleich eine Reihe von Weinen zu bestaunen, die trotz anzunehmender Preiserhöhung jeden Cent wert sein werden.

Auf der rechten Flussseite sieht die Sache sehr viel differenzierter aus, denn im Gegensatz zu z.B. Palmer und Cos, die nach Ausflügen in opulentes und stellenweise stilistisch internationales Gefilde 2010 zu wahrer innerer Größe zurückgefunden haben, sind manche Weine aus Saint-Emilion immer noch so, wie sie bereits in den Vorjahren sich zeigten: tanninbeladen und stumpf.

Wieder einmal hat Pomerol tolle Weine hervorgebracht, auch wenn es nicht allen Châteaux gelungen ist, den Moment der Frische einzufangen.

Es wäre nicht verwunderlich, wenn den Spitzenleistungen dennoch Spitzenbewertungen verwehrt blieben, denn 2010 ist ein schwer zu verkostender Jahrgang und seine Wesensexegese eine Herausforderung. Zudem gilt für so manchem Verkoster: dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Zwei derart große Jahrgänge hintereinander machen es den Sinnen schwer, frei und ohne die Einflüsterungen des Kopfes wahrzunehmen. In dem Sinne wird das zu Recht über dem Jahrgang 2009 ausgeschüttete Punktehorn für den 2010er sicherlich weniger üppig ausfallen.

Freuen Sie sich mit uns trotzdem auf einen großen (aber auch sehr heterogenen) Jahrgang, der bei nicht wenigen Châteaux Ergebnisse höchster Bordeaux-Immanenz hervorgebracht hat. Und dort, wo 2009 bereits nichts Größeres mehr möglich machte, ist das Erlebnis des Andersseins mindestens ebenso beeindruckend.

Nach diesen eher grundsätzlichen Betrachtungen zum Jahrgang 2010 folgen, sofern es die dann doch nur endlich bemessene Zeit es zulässt, in den nächsten Tagen und Wochen die Auswertungen unserer Verkostungen, die Sichtweise anderer relevanter Verkoster und schließlich dann auch die Antwort auf die alles bewegende Frage: wir entwickeln sich die Preise für die Subskription des Jahrgangs 2010?

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