Ein paar grundsätzliche Gedanken zu früher Stund

Auffällig gegenüber den Vorjahren ist, dass es kaum noch aufgehübschte Begleitdamen zu meist russischsprachigen Verkostern gibt (weil die Damen dieses Jahr niemanden zu begleiten hätten), dieser auffällige Mangel aber durch sehr viele Verkoster asisatischer Provenienz mehr als wett gemacht wird. Um diesem der Heimat so fernen Personenkreis möglicherweise ein Gefühl der Empathie zu vermitteln, wird man nicht selten auf den Chateaux von Damen empfangen, deren erste Muttersprache in kalligraphischen Schriftzeichen lesbar ist. Das ist neu gegenüber 2009. Nicht unsympathisch, eher ungewöhnlich. Das Alte Europa weiß sich den merkantilen Notwendigkeiten halt doch – auch unter Verleugnung seiner eigenen Identität – bestens anzupassen. Aber wichtiger ist: dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Einstellung asiatischer Käufer zum Primeur- und Subskriptionsmarkt sich gerade grundlegend ändert.

Nun ergibt sich ein relativ komplexes Bild aus einem Jahrgang, der – im Vergleich zu einem eher mit heftigem Sexappeal ausgestatteten Jahrgang 2009 – vorzugsweise schwer zu verkosten ist, einer zu erwartenden größeren Nachfrage aus den bisher noch von den Nachwehen der Finanzkrise eher vorsichtigen klassischen Märkten, einem möglichen Hegemonialverlust angelsächsischer Verkoster, von eher geringen Erträgen und von zu beobachtender Heterogenität in der Qualität zwischen linkem und rechtem Ufer.

Blicke ich dann auf meine Notizen und fasse die Bewertungen der Premier Crus zusammen, so stellt sich folgendes Bild ein:

Margaux 100 P.
Lafite Rothschild 100 P.
Latour 100 P.
Mouton Rothschild 97-99+ P.

Unsere Erwartung geht dahin, dass die Preise für die Premiers noch einmal in einer noch knapper bemessenen ersten Tranche anziehen werden und die nachfolgenden Superseconds und Co. dadurch kaum eine Chance haben, ihre ohnehin bereits astronomischen Preise auf gleichem oder etwas nachgebendem Niveau zu konsolidieren, besonders auch unter dem Aspekt, dass mit Pontet Canet, Leoville Poyferre und Montrose mindestens drei Weine von unten die Basis des Preisrahmens nach oben drücken werden.

Genau in diesem Sinne hat man sich auf Chateau Margaux entschieden (entgegen gegensätzlicher Aussagen nur ein Jahr zuvor), einen Dritt- und auch einen Viertwein zu lancieren, da in der Zwischenzeit nicht nur der Preis für den Erstwein, sondern eben auch für den Pavillon Rouge in Sphären entschwunden ist, die dem ursprünglichen Käufer, der ja nicht zuletzt den Mythos der Marke zu kreieren mitgeholfen hat, meist unerreichbar geworden sind.

So wird es in diesem Jahr besonders interssant sein, passende Alternativen in den einzelnen Preisfenstern zu finden.

Heute früh ist unser erster Termin auf Haut Brion…

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