En Attendant Bordeaux

Es ist nicht näher überliefert, ob Samuel Beckett besonderen Gefallen an phonetischen Vexierspielen hatte und sich ihm der Gedanke zu „En Attendant Godot“ nicht bei einem guten Glas Bordeaux dergestalt zuneigte, dass er über die Absurdität der Inverkehrbringung der jeweils jüngsten Ernte in Bordeaux ins Verzweifeln geriet, er aber sich nicht dazu entschließen konnte, daraus „En Attendant Bordeaux“, was, besonders wenn man es sich zum Beispiel von Bob Dylan genuschelt vorstellt, geradewegs nur zu verwechseln ist, werden zu lassen.

Alljährlich im Frühjahr, wenn die Weine ihre Fermentationsdurchgänge hinter sich gebracht haben, reisen die Profis von der Zunft der Weinhermeneutiker und Extraktexegesen zur alma mater der Fassmusterproben nach Bordeaux, um das grosse Feld der bereits vorhandenen Kommentierung mit ihrer jeweils eigenen Weisheit kontiniuierlich zu überfluten.

Seit über drei Dekaden wusste man aber, worauf man beim Harren der jeweils neuesten Preispublikationen in Wirklichkeit wartete: auf den Spruch der Pythia in Gestalt von Robert Parker jr..

Seitdem dieser vor ein paar Wochen seinen Rückzug aus dem Primeurgeschäft annonciert hat, sind die Analogien zwischen „Godot“ und „Bordeaux“ (was nebenbei, in den „Niederungen“ hiesiger Idiomatik genauso verwechslungsanfällig ist wie wenn man von vorneherein den Mund nicht richtig beim Sprechen aufbekommt) noch zwingender geworden, denn weder wissen Vladimir und Estragon, noch wir als Konsumenten oder die Chateaux als Produzenten eigentlich, worauf gewartet wird.

 Gazin-Ch

Heute beispielsweise ist Chateau Gazin, einer der Pomerolgranden, der in seinen Preisallüren bürgerlich geblieben ist und die Kunst des Primärfruchtunderstatements perfekt beherrscht, mit seinem Preis „herausgekommen“. Seither hat das in der Regel niemanden so recht interessiert, bis dann Parker irgendwann seinen „Kaufsegen“ in Form spendabler Punktezuweisung gab – und der Wein dann schnell ausverkauft war. Denn mit dem späteren Wissen um die Ratingeinschätzung des Grossdegustators war auf einmal schnell klar, dass Gazin schon die ganze Zeit ein im Vergleich überaus günstiger Wein war und also kaufenswert.

Auch wenn Neil Martin nun das Primeurkommando übernimmt, wird es Vergleichbares nicht mehr geben, denn Orakel werden ja nicht vererbt.

Insofern warten die Konsumenten, für die Gazin perfekt in ihr „Beuteschema“ passen würde, auf „Godot“, und die Chateaux, die sich nun zieren, mit ihrem Preis herauszurücken, ebenso, denn auch für sie gilt: alle warten auf etwas, von dem sie bestenfalls ahnen, dass es seine Heimat im Begriff des Attentismus hat.

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