„Flasche-Offen-Tage“ September

Am Freitag und Samstag haben wir in unseren Geschäftsräumen in Bodenheim während unserer „Flasche-Offen-Tage“ September wieder 20 Weine zum Probieren entkorkt. Nachdem in den letzten beiden Jahren Bordeaux die überragende Hegemonieregion war, widmen wir uns in letzter Zeit auch wieder vermehrt den Weinen aus den anderen Regionen Frankreichs.

Wie es die Konzentration auf eine Sache mit sich bringt, führen andere dabei ein wenig ein Schattendasein. Beim Wein darf man das wörtlich nehmen, denn in der Dunkelheit und Ruhe des Kellers erreichen die eingelagerten Weine so den Zeitpunkt ihrer Genußreife.

Heute, in der Welt globaler Gleichzeitigkeit, in der nicht selten das Diktat des Jetzt herrscht, ist Muße rar und Reife etwas, was viele sich zu ergoogeln hoffen. Wenn Siddharta im gleichnamigen Roman von Hermann Hesse sagt, er könne „denken, fasten und warten“, so drückt er damit etwas uns weitesgehend Fremdgewordenes aus. Wein, sofern er nicht in einem industriellen Prozeß erzeugt wird und die Lebenskurve eines Punktes hat, benötigt zu seinem optimalen Genuß das, was die Griechen, die dafür noch einen eigenen Begriff hatten, den Kairos, den rechten Zeitpunkt, nannten.

So haben wir also ein paar Weine, die einige Jahre der Reife in unserem Keller vollzogen haben, aus der Dunkelheit entf- und kritischer Begutachtung zugeführt. Einige Weine hebe ich im Folgenden hervor, alle Weine, für die noch bis zum Tag der Deutschen Einheit 2012 das besondere Angebot der 6. Flasche „für Umme“ gilt, finden Sie hier:

Der Brouilly „Perrieux“ 2008 von der Domaine du Vissoux ist ein mittelgewichtiger, zart mit Caramell flirtender, sehr würziger, feiner und ausgewogener Zungentänzer mit dem Gütesiegel minderer Alkoholschwere.

Der Minervois der Domaine du Courbissac ist ja schon ein Klassisker in unserem Programm. Da das Verkosten in zu früher Jugend mit zungenhemmender Adrstingenz  bestraft wird, hatten wir genug Geduld, den 2006er erst jetzt zu öffnen und sind überaus angetan von diesem jetzt rassigen, würzreichen, fruchttiefen, sehr komplexen und überaus langanhaltenden Languedoc-Wein mit dem Hang zum Understatement.

Wer wissen möchte, was ich meine, wenn ich von einem cassisopulenten, feminin-eleganten Tanninflüsterer provencalischer Provenienz schwärme, der sollte die rote Cuvée Patricia Ortelli von Château La Calisse ins Auge fassen. Bekannt ist ja vor allem der grandiose Rosé Patricia Ortelli, aber die Winzerin kann auch rot, wie man politisch nicht unkorrekt formulieren könnte.

Von der Domaine les Aurelles kommen ungewöhnliche Rotweine, die kein Holz kennen und dennoch einige Jahre der Reife benötigen. Der Solen 2003 ist nun in sein Stadium entschlossener Trinkbarkeit eingetreten und zeigt aufs Schönste, wie elegant, harmonisch, tief, frisch und animierend eine Cuvée aus Grenache und Carignan sein kann.

Die Domaine de la Mordorée ist vor allem durch ihren Châteauneuf-du-Pape bekannt, der mit seinem 2001er in den Pantheon parkerscher Perfektion eingezogen ist. In der an herausragenden Winzern armen Appellation Lirac vinifiziert Christoph Delorme einen wunderschönen Wein, „La Dame Rousse„. Der 2004er zeigte sich anfangs etwas verschlossen, ja zurückweisend, so dass wir ihn erst jetzt wieder hervorgeholt haben. Reife Pflaumen, dichte Frucht, sehr feine Gerbstoffe, sehr erfrischend und sehr ausgewogen und jetzt und in den nächsten 3 Jahren ein Hochgenuß!

Dass nicht nur die Bordeaux 2009 offenherzig und charmant derzeit sind, zeigte sich am überragenden und grandiosen Château de Beaucastel Châteauneuf-du-Pape 2009.  Und das trotz des recht hohen Mouvèdre-Anteils. Ein Feuerwerk aromatischer Expression, saftigste Rotbeerfrucht, Schoko, Kaffee, Lakritze, großes Würzkino, seidige Eleganz und ehrfürchtige Tiefe. 96+

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