"In meinem allerersten Buch hatte ich noch die Sterne-Wertung. Damals vergab ich diesem Wein fast die Höchstnote – zur Verblüffung meiner Buchleser. Dann entstand um diesen Montrose ein Riesenrummel, als Robert Parker ihn mit 100 Punkten "beschenkt" hatte. Seither habe ich ihn sehr oft degustiert und kontinuierlich mit zwischen 19/20 und 20/20 Punkten bewertet. Eine Degustationsnotiz (19/20) aus dem Jahre 1992: Auch ein junger Montrose ist nicht schwarz, sondern immer mit tiefem Granat bestickt. Geballte Ladung, leicht animalische Jodnote, sehr terroirlastig, Leder- und trockene Traubentöne. Im Gaumen sehr viel, aber reifer Gerbstoff. Dieser Wein zeigt definitiv den Aufstieg von Montrose an, gemacht durch einen neuen Kellermeister und der Einsicht von Charmolue, dass eine zu frühe Ernte dem Wein immer geschadet hat. Dann verschloss sich der Wein, blieb jedoch als geballte Ladung immer erkennbar. In der grossen Arlberg-Probe im Dezember 1999 notierte ich ihn mit 19/20 Punkten, weil er trotz immensem Potential eine sanft dumpfe Note aufwies."
00: "Tiefe, dichte Farbe mit schwarzen Reflexen. Das Bouquet ist geballt mit komprimierten Terroir- und reifen Fruchtaromen, schwarze Trüffelspuren und Teernuancen darin und vor allem viel Dörrfrüchten. Im Gaumen feinsandiger Fluss, gaumenumfassende Adstringenz, süsslicher, betörender Malaga-Duft im Nachklang, komplexe Textur und immer noch ein riesiges Potential anzeigend. Wurde einstimmig als bester Wein der Serie erkoren und ich war nicht der Einzige mit 20/20 Punkten."
02: "Eine halbe Flasche als Bettmümpfeli in der Krone Assmannshausen blind serviert und offeriert von Hendrik Thoma (immer lächelnder Sommelier vom Louis C. Jacob Hotel in Hamburg). Geschrieben haben beide nicht mehr viel, aber wir teilten miteinander die uneingeschränkte Gewissheit, einen ganz, ganz grossen Bordeaux am Anfang der richtigen Genussphase zu trinken."
05: "Heinz Wetter servierte eine Blindprobe mit drei 1990ern. Lafite, Margaux und Montrose. Ich vergab insgesamt 58 Punkte. Wobei die beiden ersteren 19 erhielten und Montrose. Momentan in einer exorbitanten Genussphase. Im cremigen Gaumen zeigen sich; Zedern, Lakritze, Rosinen, Teer und Trüffel. Ein Wahnsinnspaket! (20/20). An einem kalten Augustwochenende auf der Frutt bei Irene und Ruedi Berwert getrunken. Ein grosses Glas von einem ganz grossen Wein, der zeigt was man unter Terroir verstehen kann, vorausgesetzt man setzt sich mit dem Bouquet eine halbe Stunde auseinander. (20/20). In Appenzell im Dreier-90er-Flight im Herbst 2006: Sattes Purpur, noch jugendliche Reflexe aber auch Reifetöne. Tiefgründiges Bouquet viel Mokkanoten, Trüffel, schwarze Schokolade, Rosinentöne von heissem Traubengut, viel Würze und getrocknete Kräuternote, wirkt von der Nase her sehr reif. Im Gaumen fleischig mit gutem Biss, Zedern, Rauch, schwarzer Pfeffer, offen und voll zugänglich, eine gewisse Trockenheit in den Tanninen zeigend und mit viel Druck endend. Grobschlächtig vielleicht, aber mit einer beherrschenden Macht ausgestattet."
07: "Er hätte auch zur Taube gepasst die Heinz Witschi in Unterengstringen gebraten hatte. Doch der Teller war leer. Dafür war das Glas umso voller. Heinz Hoffmann bestand darauf auch noch diesen Wein zu öffnen und der Montrose war - nach dem ebenso genialen Talbot 1986 - ein Riesen-Bordeaux-Hammer mit Fett, Fleisch und 20 Punkten!"
07: "Schwarze Farbe, auch am Rand immer noch sehr dicht und erste ziegelrote Reifetöne zeigend. Gewaltiges, barockes Bouquet, aus der Tiefe duftet es nach Trüffel, Teer, Rauch, Korinthen und gebrauchtem Leder, wilder Cabernetnoten, trocken und doch gewaltig komplex. Im Gaumen ein männliches, charaktervolles Profil zeigend, Kraft vermischt sich mit Arroganz und Erhabenheit, die Aromatik überschlägt sich und bleibt bis zum Schluss im schwarzbeerigen Bereich. Ein Tenor unter den grössten Médocs und seiner aktuellen Verfassung fast schon ein Mammut-Cabernet-Überwein!"
08: "Genial ist der Wein eigentlich immer, nur zeigen sich immer wieder bei gewissen Flaschen ein leicht dumpfer Altfasston, respektive erdig-animalische Noten. Dekantieren hilft eigentlich immer, weil noch viel Reserven da sind."
10: Fraglos ein brachialer, tiefschürfender 20-Punktewein. Getrunken mit Blick auf St. Tropez auf der Terrasse von Lucien. Im Juni 2010 im Sempacherhof direkt neben bem 89er. Beide sind einfach Weltklasse, wobei ich beim 89er auf Klasse gehe und beim 90er auf Welt."
10: Eine kräuterig-korinthige Duftorgie, dunkles Caramel, ziemlich füllig und so auch schön komplex, viel Würze, Honignoten, Lebkuchentöne darin zeigend. Parfümierter Gaumen, auch hier deutliche Rosinenspuren, das gibt dem Wein eine grundsätzliche, traumhafte Süsse, ist jetzt voll auf dem Zenit. (20/20)."
11: "Wieder eine absolut makellose Flasche aus dem Keller von Marcel Merz. Und zwei Wochen später am Geburtstag von Peter Meier: Tiefe Farbe mit leicht bräunlichem Schimmer. Rauchiger Beginn, speckig, viel Dörrfrüchte, Korinthen und Teer, Hermitage-Affinität. Im Gaumen wuchtig, barock mit einer dramatischen Konzentration, die Urkraft eines langlebigen, ganz grossen Saint Estèphe’s in sich tragend. (20/20)."
11: "Sehr dunkles Bordeauxrot. Malziges Bouquet, Bakelit, schwarze Pflaumen, Teer, Hermitage-Affinität, eine Kräuterbombe, viel Thymian und wilder Rosmarin, öffnet sich nur langsam und zeigt dann viel Korinthen, Ledernoten. Im Gaumen bleibt der Wein irgendwie Rhône-haft, dicht, fleischig mit viel Kraft und warmen, molligen Tanninen mit hohem Gerbstoffwert. Am Anfang einer noch langen Genussreife."
11: "Eine etwas tierische Flasche. Ich roch daran und dann nahm ich die Flasche und liess ihn hoch in die Karaffe plätschern. Dann wartete ich drei Stunden. Perfekt! (20/20)."
11: "Aufhellendes Weinrot mit orangen und ziegelroten Tönen. Offenes, heisses Bouquet, Rosinen- und Sultaninentöne, fast Honignuancen, helles Malz, gebunden und komplex. Im Gaumen füllig, cremig, schon fast sexy, ein Attribut, welches eigentlich ganz und gar nicht zu einem Montrose passt. Während der 89er tief und mächtig ist, zeigt dieser geniale 90er feminine Tendenzen, gebündeltes langes Finale. Ein Charme-Bolzen. (20/20)."
12: "Dunkel mit dezent ziegelrotem Schimmer, statt in der Mitte. Viel Dörrfrüchte in der Nase, Korinthen, frisch angeschnittene Dörrfeigen, ein Hauch Kampfer, alte Cigarrenkiste, eingedickter Birnensaft, Pferdesattel. Im Gaumen mineralisch, erdiger Schimmer, Torfnuancen, fest im Innern, aussen mit recht viel Schmelz, zwischen genial und artisanal. Der Rivalen-Kampf zwischen dem viel berühmteren 1990er und dem gigantischen 1989 ist für mich immer noch offen. Diese Flasche: 19/20."
12: "Magnum. Dunkles in sich reifendes Granat, ziegelroter Rand. Terpentinnoten, was auf eine grosse Mineralität hinweist, ledrig, ja fast pferdig, dann getrocknete Kräuter, Malz und Rosinen zeigend, ausbrechend, süss und trotz gewisser Trockenheit auch gebunden. Im Gaumen komplex, füllig, massiven Körper zeigend, wieder leicht überreifes Traubengut, Tabak und Kamille, dem Lafleur vom Glas nebendran nicht unähnlich, jedoch mit deutlichem Saint- Estèphe-Stempel. Wer trainieren will, was animalisch heisst, der kann hier ein Exempel statutieren. (20/20)."
12: "Wenn ich nicht gewusst hätte, dass Lucien keinen Rhônewein im Keller hat, dann hätte ich glatt auf einem reifen Hermitage aus einem ganz grossen Jahr getippt. (20/20)."
13: "Sattes dunkles Weinrot, wenig Reifetöne, immer noch viel rote Primärfarben im Innern. Viel Fleisch in der Nase, erst Nuancen von grünem Cabernet, dann Rauch, frisch gebrochene, schwarze Pfefferkörner, Tabakblatt, Kampfer, Torf und dunkle Rosinen, Teernoten zeigen die Tiefe an. Im Gaumen wie eine geniale «Weinsteak», noch adstringierend, massive Tannine, viel Charakter zeigend. Wieder eine sensationell jung wirkende Flasche. Verschliesst er sich wieder um noch ein paar Jahrzehnte an seiner eigenen Geschichte anzuhängen? Eine derartige Cabernetkonzentration in der Zunge habe ich letzte Mal beim 1961er Latour erlebt. Lange dekantieren. (20/20."
13: "Wir tranken bei Lucien viele tolle Weine - aber das war mit Abstand der Allerbeste! (20/20). 13 in Reit im Winkel: Dunkles Granat mit bräunlichem Schimmer in der satten Mitte. Gewaltiges Bouquet, gehackte Dörrfeigen, Rosinen, Honig, Wildleder, Moschus, Trüffel, es riecht förmlich nach Genialität, gebunden Süsse im Untergrund zeigend. Warmer Gaumen, unglaublich aromatisch und mit katapultierender Aromatik, immer noch ungestüm. Während der Latour deutlich seine absinkende Genussreife anzeigt, ist hier eine Legende am Durchmaschieren. Wird sich so wie gewisse legendäre 1947er entwickeln. In 10 oder dann halt erst in 20 Jahren. Immer wieder bewegend, diesen unvergleichlichen Cabernet-Bolzen trinken zu dürfen. Minutenlanges Finish!!! (20/20)."
14: "Aufhellendes, leicht bräunliches Rot, satt in der Mitte. Verrücktes Bouquet, Malz, Honig, Rosinen, Feigensirup, dahinter Teernoten (Hermitage) fast buttrig und einen gewissen Caramelschimmer zeigend. Im Gaumen perfekt, er hat die Fülle der grossen 90er, aber wie kein anderer eine dramatische Konzentration, reife Tannine, rauchig und malzig im tabakigen Finale. Eine sagenhafte Flasche. Kein feiner Cru, aber ein «Überimposanter». (20/20)."
15: "Extrem dunkle Farbe, noch wenig gereift: schwarz mit einem Hauch von violetten Nuancen. Das Bouquet schwankt zwischen gewaltig und dramatisch. Alles nur schwarze Frucht, würzige Kräuternoten, die Expression des Cabernets ist dokumentarisch, die Frucht ist reif und es ist unglaublich viel Lakritze im Nasenbild zu finden. Es gibt fast keinen anderen Médoc der so viel nasaler Power zeigt. Im Gaumen geht dieser markante, generelle Reichtum nahtlos weiter. Im satten, extrem konzentrierten Extrakt sind wieder viele schwarze Beeren und auch noch recht viel Cassisresten zu finden. Der Druck ist unbändig im Finale. Kein anderer 1990er Bordeaux hat diese Urkraft. (20/20)."
16: "Bei Urs Ratschiller fast am Schluss. Nichts mehr geschrieben, aber dafür sehr intensiv genossen."
René Gabriel 20/20
Quelle: www.bxtotal.com