Flaschengröße:
3
Alkohol:
14,5%
Klassifikation:
Klassifikation Saint-Emilion (2012)
Klassifikation Chateau:
St. Emilion Grands Crus Classés
Genussindex*: 20/20 Punkten
Château La Fleur Morange 2015 Doppelmagnum
Die Rebstöcke dieses Saint-Emilion-Riesen mit dem winzigen Rebareal sind stellenweise schon seit dem Ende des 19.Jahrhunderts verwurzelt und tragen damit die Ahnung einer ganz anderen Zeit in sich. Ihren Durchbruch als Träger einer ganz eigenen Saint-Emilion-Charakteristik durften sie aber erst vor nunmehr 17 Jahren erleben, denn vorher war ihre Zeit noch nicht gekommen und ihr Ertrag floss in das undefinierte Sammelsurium der örtlichen Cooperative.
Als Jean-Francois Julien die Rebenerbin Veronique kennenlernte, war dem in ampelographischen Angelegenheiten bis dahin unbedarften Schreiner doch schnell klar, dass mit dieser Frau sich sein Leben auch sonst grundlegend ändern würde. Da er die Herausforderung annahm, als Autodidakt nun mit einer anderen Art von Holz Umgang zu pflegen, und auch nicht dieses selbst zu bearbeiten war, sondern der Saft seiner Erträge, bin ich heute in der überaus glücklichen Lage, Ihnen von diesem grossartigen Wein, den es so sonst in Bordeaux in keiner anderen Ecke geben kann, zu erzählen. Und, wie sich zumindest zum Zeitpunkt des Abfassens dieser Zeilen abzeichnet, macht sich auch sonst keiner derjenigen, die den Wein doch vielleicht während der Primeurs 2015 verkosten konnten, die Mühe, sich seiner ernsthaft, also nicht, indem ihm nur irgendwelche Punkte mit irgendwelchen Worten attributiert werden, anzunehmen.
Bei Martin Kössler lese ich, dass man ein Spinner sein muss, um sich mit Fleur Morange zu befassen. Wenn ein Spinner einer ist, der dort ein Geflecht, das Größe konstituiert, erkennt, wo andere keinen Anker im Blickfeld finden, möchte ich Sie im Folgenden einladen, sich von einer deskriptiven Semantik so umgarnen zu lassen, dass sich Ihr Wunsch, nun nicht mehr nur zu lesen, sondern auch zu verkosten, in meiner verbalen Spinnerei verfängt.
Der Fleur Morange 2015 hat aufgrund des Alters seiner Reben und der besonderen klimatischen Fortüne des Vegetationsprozesses, in dem er zur Reife gelangte, eine weit fortgeschrifttene Individuation vom Allgemeinen eines schönen Saint-Emilion zum Besonderen eines solchen, dessen Wesen in der Kondensation eines natürlichen inneren Verdichtungsprozesses begründet liegt, durchlaufen.
Schon in der Opazität seiner visuellen Präsenz deutet der Fleur Morange an, aus anderem Holz zu sein, und das intensive Einlassen auf den olfaktorischen Reichtum seiner Bukettwolke vertieft den Eindruck, es hier mit dem gereiften Elixir einer altersweisen Fruchtquelle, die mit langem Atem Zeitenrückung und Ruhe, Souveränität und Gelassenheit, Edelmut und Seelengröße assoziiert, zu tun zu haben. Der seidig-elegante, saftig-frische, vibrant-animierende Gaumenfluss offenbart einen Wein von exquisiter Feinheit, pulsierender Souplesse und von überaus filigraner Ästhetik. Wie in einem wohldistinguierten piano-decrescendo, wo man bei jedem Ton fälschlich meint, der nächste sei dann nicht mehr hörbar, bringen immer feinere Frucht- und Aromenandeutungen den Gaumen in einen Zustand adrenaliner Wachheit. In der nobelsten Form seduktiver Verführung, wo die Sinnenfülle das Bewußtsein schärft ohne die Autonomie in die Nöte der Submission zu bringen, mäandriert dieser Saint-Emilion Methusalem, der um den Substanzgewinn bei repititiver Beharrung weiss, zur Mündung in einem Finale von distinkter Anmut und überbordendem Resonanzreichtum.
Gerade das Alter der Reben begründet einen hochmodernen Wein, der sich aber eben weder mit aufwändiger Weinbergs- noch mit anspruchsvoller Kellertechnik duplizieren lässt.
Matthias Hilse 94-97 Punkte (April 2016)
Matthias Hilse 96 Punkte (April 2018)