Chateau Pontet Canet 2019

oder: Ein Finale zum Auftakt

Man liest dieser Tage oft, nach der Corona-Krise sei vieles anders als zuvor. Nun muss ich garnicht einen bereits ausgetrampelten Pfad beschreiten und in einen Chor mit einstimmen, um festzustellen, dass bei Pontet Canet fortan vieles anders sein wird, auch ganz ohne Corona.

Denn Chateau Pontet Canet, wie wir es seit nunmehr mehr als 20 Jahren kennen, verliert mit dem Weggang von Jean-Michel Comme nicht nur seinen Regisseur, sondern auch den Mastermind hinter der Philosophie, aus einem einfach nur sehr großen Pauillac-Weingut den Protopauillac schlechthin zu formen.

Pontet Canet in partieller Unverborgenheit

Die Familie Tesseron war früh schlau genug, das Potential des konsequenten Andersdenkers zu erkennen und ihn langfristig an das Weingut zu binden. Wenn Jean-Michel nun nach 31 Jahren der Zusammenarbeit seinen Abschied aus den Diensten von Pontet Canet erklärt, dann tut er dies auf dem Höhepunkt seines Schaffens und ziemlich genau 10 Ernten nach seinem Geniestreich, im zweiten Anlauf mit dem monumentalen Jahrgang 2010 (dessen Perfektion gerade wieder vom Wine Advocate bestätigt wurde) die vormaligen Lacher auf seine Seite zu ziehen und zu Eklektikern zu machen.

Ich kann die Qualität des Jahrgangs 2019, der überraschend in dieser Woche zu einem noch überraschenderem Preis an den Markt gekommen ist, noch nicht aus eigenem Urteil ermessen (meine Verkostungsnotiz wird folgen). Nach meinen intensiven Erfahrungen mit den Weinen von Pontet Canet über die letzten 15 Jahre bin ich aber zuversichtlich, dass die verheißungsvollen Melodien, die ich an den bisherigen Fassmustern aus 2019 vernehme, einen Pontet Canet 2019 auf die Bühne bringen werden, der all die schönen Anlagen des Jahrgangs zu einem Konzert auf allerhöchstem Niveau und zu einer umwerfenden Harmonik zusammengefügt zeigen wird.

Melanie Tesseron bei der Vertikalprobe im METAMORPHEUM

In der Retrospektive wird man Kritiker vernehmen können, die Pontet Canet 2019 als Meisterstück und den Höhepunkt der Epoche der Biodynamiewerdung Bordeaus feiern werden.

Aber auch ganz ohne hinzugebettete Allüren ist der Pontet Canet 2019 mit seinem Preis von deutlich weniger als einem 4-stelligen Eurobetrag für die 12er Kiste eine Ansage, die viele Hoffnungen bestärkt und andere Erzeuger in diesem Jahr unter Druck setzen wird.

Vielleicht möchte die Familie Tesseron mit ihrem fast unerhörten Angebot des Jahrgangs 2019 Jean Michel Comme ein besonderes Abschiedsgeschenk machen, indem so viele Kunden wie möglich dazu gewonnen werden, bei dem späteren Genuß des Weins ein „santé“ auf seinen Hervorbringer anzustimmen.

Ich jedenfalls würde all denen raten, die sich gerne das Resultat einer langen Entwicklungsgeschichte in der Form einer Akme verinnerlichen möchten, dem Pontet Canet 2019 gegenüber nicht achtlos zu sein, selbst wenn er als ein „no-brainer“ auch Facetten der Alltäglichkeit zeigt.

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