Ein Wein für Äsop

Ob man einem Wein eine eigene Aura zugestehen will, hängt sicherlich von seiner topographischen Ansiedlung in den unergründlichen Weiten der Qualitätszuspitzung zusammen. Hier dürfte es unser Wein eher schwer haben, denn wir reden gerade nicht von einem Weltklassewein. Gleichwohl hat der Haura 2014, der im hauchlosen Originalidiom so ausgesprochen wird, als würde er „Aura“ heißen, mir die Sprache verschlagen. „Gut“!, werden Sie vielleicht denken, „dann müssen wir wenigstens nicht wieder so verschwurbeltes Zeugs darüber lesen“.

Nun liegt es mir fern, so verschlagen zu sein, diejenigen zu enttäuschen, die gerne wüssten, wie denn die Annäherung an einen Wein, der im Verschlag der sprachlosen Perplexion seiner Beschreibung harrt, aussähe.

Der Haura 2014 ist die perfekte Wiedergeburt des weiland herausragenden Jahrgangs 2009, der en passent das gerne bemühte Zitat vom „kleinen Wein in großen Jahren“ ideal verkörperte.
Da gerade bei uns in Deutschland viel über Motoren geredet wird, bin ich versucht, den Haura 2014 als einen Golf mit V8 zu bezeichnen. Nicht in der Art, um damit besonders erfolgreich dem Zeitvertreib des „Posings“ nachzugehen, sondern um die großvolumige Gelassenheit im eigentlich zu kleinen Chassis zu symbolisieren.

Denn der Haura, der von Hause aus ein Graves und das Einstiegsmodell in das Terroirverständnis von Denis Dubourdieu (✝2016) ist, zieht mit der Nonchalance eines Überfliegers einsam seine Schlürfrunden im ob der tiefgründigen Beharrlichkeit perplexen Gaumen des Verkosters und zeigt dabei eine Haltung, die um sein Wissen um seine Verortung in der irgendwie falschen Klasse schließen lässt.

Den inneren „aahh’s“ und „Boah’s“, die den Flirt mit Größe wagen möchten, raunt er seine Verpflichtung dem Moment gegenüber zu. Denn nicht das Erzählen von großen zukünftigen Taten ist seine Sache, sondern sein beinahe perfekter Sprung im Hier:

hic salta!

Matthias Hilse 91 Punkte
Genussindex: 19/20

2014 Ch. Haura

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