Der Protopauillac zu Besuch bei AUX FINS GOURMETS

Am Freitag, dem 23.November 2018, hatte ich die große Ehre, einem sehr interessierten Publikum Justine Tesseron als Moderatorin unseres Pontet-Canet-Diners im METAMORPHEUM vorstellen zu dürfen. Justine kam in Begleitung von Antoine Cathelineau, der als Exportdirektor für einen Negociant in Bordeaux arbeitet – und verantwortlich dafür war, dass dieser außergewöhnliche Abend zustande kommen konnte.

Heutzutage hat es sich in der Weinwelt herumgesprochen, dass auf Chateau Pontet-Canet in den letzten 25 Jahren ganz verrückte Dinge passiert sind, aber vor noch nicht einmal 10 Jahren wurde ich noch von vermeintlichen Größen der Szene dafür belächelt, Pontet Canet als sechsten Premier Cru in Bordeaux anzusehen.

Während der Veränderungswille kompromißlose Tatkraft auf der Seite eines Produzenten bedingt, ist die Wahrnehmung eines Wandels auf der Konsumentenseite oft eine Sache enthemmter Retardierung.

Die Verantwortlichen auf Chateau Pontet Canet, Alfred und Gerard Tesseron (gestorben 2008) sowie Jean-Michel Comme (seit 1989 dort beschäftigt) hatten sich nichts anderes vorgenommen, als die Sphäre des vermeintlich Unmöglichen um ein „not possible“ zu bereinigen. Im Grunde ist deren vorausschauende Strategie darauf ausgelegt, mit dem Wissen und den Möglichenkeiten der Gegenwart Weine wie vor 150 Jahren zu bereiten. Dass es dazu nicht nur einer konsequent biodynamischen Arbeitsweise bedürfe, sondern darüber hinaus auch noch ein Bann die Bodenverdichter vom Hof würde verdrängen müssen, war allen Beteiligten klar.

War der Argwohn mit Beginn der Konversionsphase in 2005 bereits groß bei denen, die zu beurteilen sich berufen fühlten, dass man ein Weingut mit über 80ha an Rebbestand nicht „unkonventionell“ bearbeiten könne, so war die Häme fast grenzenlos, als mit dem Jahrgang 2007, der eigentich die Zertifizierung hätte bringen sollen, ein Rückfall in die Welt der Pesti- und Herbizide zur Rettung der Ernte vorgezogen wurde.

Alfred Tesseron und seine Mannen focht das nicht an, und so begannen sie einen zweiten Anlauf zur Erlangung der Zertifizierung. Alles, was von 2008 an passiert ist, ist legendär in dem Sinne, dass aus dem belächelten und mit Invektiven bedachten Projekt „A 1855 Grand-Cru-Classé goes biodynamic“ die Blaupause wurde, an der sich der Weinbau in Bordeaux orientieren wird. Dass es dabei wahrscheinlich auch um eine Neudefinition des Begriffs „klassischer Bordeaux“ gehen wird, ist in dem Maße zu vermuten, wie die Ernten des Protopauillac das Verhältnis zwischen Fruchtreife und Extraktion verschieben und so ein neues Gleichgewicht zwischen Frucht- und Bodenattribution am Wein definieren.

Ich hatte mit großem Nachdruck meinen Wunsch formuliert, die Probe mit einem Fassmuster des Jahrgang 2017 beginnen zu lassen, und glücklicherweise wurde meinem Ansinnen Rechnung getragen, so dass wir einen wunderschönen Spannungsbogen zwischen 2017 (sehr zu Unrecht von den meisten mit Mißachtung bestraft) und dem ganz grandiosen 2016er zum Finale schlagen konnten.

Zwischendrin gab es die Jahrgänge 1994, 1998, 2006, 2008, 2009, 2010, 2011, 2012 und 2014. Wer nun meint, die jeweils mit 100 Parkerpunkten bedachten Ernten 2009 und 2010 seien der Höhepunkt des Abends gewesen, der irrt im Unwissen um das Ineinswerden von Potenz und Akt im Jahrgang 2016. Während 2009 das Modell perfekter Opulenz ist und 2010 das der perfekten Struktur, kulminiert in 2016 die perfekte Vereinigung der beiden.

Im Prinzip verpasst man immer etwas, wenn man Pontet-Canet nicht trinkt, aber am ehesten zu verschmerzen ist es noch mit den Jahrgängen vor 2000.

Das Fazit dieses denkwürdigen Abends lautet in eindeutiger Alternativlosigkeit: wer noch keinen Pontet-Canet im Keller hat, dem fehlt die Quintessenz der Alma Mater Bordeaux!

Für den Kritiker Matthias Hilse gab es einen besonders schönen Moment im Laufe der Verkostung des Jahrgangs 2016, als Justine Tesseron erläuterte, dass ihr Vater diese Ernte als die beste seines Lebens bezeichne. Lesen Sie meine Verkostungsnotiz zum Fassmuster dazu, und Sie verstehen, wie das gemeint ist.

Sofern Sie diese Veranstaltung neugierig macht, freue ich mich, Sie zunächst als Kunden von AUX FINS GOURMETS kennenlernen zu dürfen.

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