Chateau Pontet Canet 2016 – ein Apologie

Es vergeht kaum ein Jahr, in dem die Pontet-Canet-Macher um Alfred Tesseron nicht für besonderes Aufsehen sorgen. Einmal lancieren sie ihren Primeurpreis vor den Primeurproben, ein andermal setzen sie mit einer zweiten Tranche ein i-Tüpfelchen, dann wieder setzen sie einen als unverschämt empfundenen Preis fest. Wenn die Welle der Empörung jeweils so groß sein kann, hängt dies offensichtlich daran, dass es viele in ihrem Befinden berührt. Wie kein zweiter Betrieb in Bordeaux ist es Chateau Pontet Canet in den letzten 10 Jahren gelungen, eine ganze Klassifikation, und noch dazu die weltweit wertvollste und prestigeträchtigste, zu desavouieren und die darin begründete Rangordnung gehörig auf den Kopf zu stellen – und nun, mit dem Jahrgang 2016: sogar zu transzendieren. Mehr kann ein Wein nicht sein, als es der Pontet Canet 2016 ist: der Inbegriff von WEINSEIN.

Alfred Tesseron mit Pontet-Canet 2012                                    Foto: © Matthias Hilse

Alfred Tesseron mit Pontet-Canet 2012 Foto: © Matthias Hilse

Man darf vermuten, dass die jeweils Verantwortlichen in den bordelaiser Chateaux durchaus, und mehr noch, als die professionellen Verkoster, die immer nur punktuell Erhellendes erfahren, ein breites Bewusstsein davon haben, was sie sowohl in absoluter vertikaler als auch in relativer horizontaler Vergleichsbetrachtung produziert haben.

Bei Pontet Canet kommt eine ins Gerissene gehende Bauernschläue hinzu, wenn man mit der Veröffentlichung des Preises so lange wartet, bis eine andere, mit dem „Mitgliedsstatus der superzweiten Gruppe“ bestallte Ikone etwa zeitgleich an die Öffentlichkeit geht.

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Natürlich ist ein Preisaufschlag von 44% auf den Vorgängerjahrgang in Zeiten, in denen Zinskurven dem topographischen Querschnitt durch die norddeutsche Tiefebene gleichen, zu hinterfragen.

Der Pontet Canet 2016 jedenfalls, den ich im Glas hatte, ist in seiner epochalen Qualität erhaben über alle Anfeindungen, die ihm entgegenschlagen. Denn einem Wein, der das Beste aus den jeweiligen 100-Parkerpunkten-Jahrgängen 2009 und 2010 in sich vereint, wird man nicht nachsagen wollen, sein Preisnachlass von über 30% gegenüber den Referenzjahrgängen sei keine Opportunität.

Verkostungsnotiz:

Der Pontet Canet 2016 trägt die Botschaft in die Welt, den Druiden um Alfred Tesseron und Jean-Michel Comme sei es gelungen, Potenz und Akt so weit anzunähern, dass derjenige mit Blindheit geschlagen ist, der hier keine Perfektion erkennen mag. Im Sinne de la Fontaine’s „Tous chemins vont à Rome“ invertiert der Protopauillac zugleich die Laufrichtung des Fabelhaften und verortet seinen Ursprung in den heimatlosen Begriffen von zeitloser Schönheit und Erhabenheit. Dem Makel der offenkundigen Terroirinsuffizienz stellt er die Dekonstruktion des Klassischen entgegen.

Mit souveräner Gelassenheit und dem tiefen Vertrauen auf die eigene, reine Seele zelebriert der Pontet Canet ein Gaumenballett von allerhöchster Grazilität, Reinheit, Zartheit und Akrobatik, die ihre atemberaubende (Wechsel-)Spannung aus der Ineinswerdung der vermeintlichen Antipoden Rasse und Milde, Dichte und Transparenz, Opulenz und Linearität erfährt. Der blaubeerige Fruchtfluss ist zugleich ölig-viskos und ungemein frisch, die Gerbstoffdurchwirkung zeigt eine monumentale Signatur der Feinheit, die in dem Spiel tanzender Gaumenwogen immer neue Arpeggien aromatischer Betörung – einem perpetuierenden Echo gleich – zum Klingen bringen. So, als wäre es nichts, eine ganze Tanninwelt auf den Schultern zu tragen, gleitet der in feinste Seide gehüllte polymere Fruchtkorpus in beschwingter Schwerkraftenthebung über die Zunge und setzt Gedenkpunkte stupender Verblüffung. Die Größe dieses Bordeauxwurfs ist reziprok zur Länge seiner Verweildauer in den Katakomben sensorischer Befassung.

Matthias Hilse 100/100 Punkten

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