Bordeaux unter 20 Euro

Da man aktuell viel Mühe darauf verwenden muss, den Weinen aus Bordeaux, von denen es immerhin mehr gibt, als vierstellige Zahlen es auszudrücken vermögen, die adverbiale Bestimmung „teuer“ zu nehmen, kommt dieses Unterfangen einer Penelopearbeit gleich, denn natürlich sind die Bordeauxikonen, die für sich die mit einer weltumspannenden Wertschätzung verbundene Aufnahme in den Pantheon einer genuinen Assetklasse in Anspruch nehmen können, per se in dem Sinn „teuer“, dass sie viel Geld kosten.

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Würde man ihnen aber im Rahmen eines „relative-Value-Ansatzes“ nicht ein Attribut wie z.B. „unterbewertet“ zuweisen, wäre die Hausse in den Primeurpreisen, besonders für die Jahrgänge 2009 und 2010, nicht zu erklären.

Ist aber eine Gattungsbezeichnung erst einmal mit einer bestimmten Bedeutung befrachtet, wird es schwer, die Irrelevanz der nur für eine Teilmenge korrekten Stigmatisierung für die „Masse des Rests“ zu zeigen.

Wenn das Conseil Interprofessionnel du Vin de Bordeaux (CIVB) beispielsweise mit seiner  Aktion „100 Bordeaux für jeden Anlass“ Bordeaux-Wein in der Hinsicht marginalisiert, als sie ihn als Allroundgetränk erscheinen lässt mit gravierenden Folgen für die Abgrenzung von den Weinen anderer Regionen, für die das doch, sofern man das Weintrinken als eine Form der Sinnesrezeption ansieht, die man quasi „en passant“ geschehen lässt, genauso gilt, dann bleibt damit gerade das, was Bordeaux einzigartig und damit immun für Zuweisungen überfrachteter Werthaftigkeit macht, im Nebel.

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Um mit guten Gegenbeispielen gegen die Attributsfestung „teuer“ anzukommen, ist es zunächst einmal wichtig, einen Preisbereich zu definieren, der als „Wert in Euro“ nicht im Verdacht steht, bereits das zu sein, wogegen er doch paradigmatisch stehen soll. Nach intensiver Beobachtung des Diskussionsverlaufs in diversen Foren, ausuferndem „hinundhergoogeln“, und ausführlichem Wandeln in den weiträumigen Bewußtseinsgalerien bereits verkosteter Bordeauxmuster ergab es sich, dass die Euronote, die das Zeitalter der Gotik visualisiert, sinnvoll die Grenze markiert, unterhalb derer eine Armada an Bordeaux-Weinen, mit denen man einfach nicht leicht „teuer“ assoziiert, in lagerbevorratete Stellung gebracht werden sollte: der Zwanzigeuroschein.

Im AUX FINS GOURMETS-Shop gibt es seit einiger Zeit daher eine Kategorie „Bordeaux unter 20 Euro„. Mittlerweile haben wir dieses Segment, das wir als Rezeptionsbereich unseres Tuns im Virtuellen betrachten, auf deutlich über 100 Weine ausgebaut. Nun ist es keine große Kunst, 100 Bordeaux-Weine, die weniger als 20 Euro kosten, zusammenzutragen. Das kann jeder, man braucht dafür ja keine Expertise, eine solche Selektion sagt zunächst einmal: gar nichts.

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Wenn wir davon überzeugt sind, dass die AUX-FINS-GOURMETS-Auswahl der Bordeaux-Weine dieses Segments ohne Gleichen im deutschen Sprachraum ist, so hängt dies mit dem programmatischen Netzwerk, in das diese Kategorie eingebettet ist, zusammen: AUX FINS GOURMETS ist Bordeaux. Sie werden i.d.R. Bordeauxweine unter 10 Euro bei uns vergeblich suchen, weil es in diesem Preissegment Regionen gibt, die hier deutlich großzügiger reüssieren – etwa das Rhonetal oder das Languedoc.

In jenem, 10-Euro-umfassenden Abschnitt auf der nach oben offenen Werteskala unterhalb von 20 Euro ist Bordeaux unschlagbar, nicht immer im Einzelfall, aber im Generellen. Gerade die Globaliserung hat hier mächtig eingewirkt, denn im letzten Jahrzehnt hat sich eine deutliche Zweiteilung der Weine aus Bordeaux ergeben:

Jene, meist die klassifierten Gewächse des Médoc, die Grand-Cru-Classé aus Saint-Emilion und die Pomerols aus der „Appellation mit den Burgunderallüren“, konnten mit fortschreitender Markenwerdung Preise am Markt erzielen, die manchmal deutlich oberhalb des Gestehungspreises liegen und im Sinne einer Optionspreistheorie so zu verstehen sind, dass der Käufer die Gewissheit erwirbt, ein den Wirren der Jahrgangskoinzidenz enthobenes Gut, das einfach immer das Menschenmögliche verkörpert, zu erwerben.

Diese, nur sehr ungenau im Begriff der Cru Bourgeois zusammengefassten, in allen Appellationen angesiedelten Chateaux, die ihre Weine zu einem Preis verkaufen (müssen), der oft nur ein Bruchteil dessen, was die arrivierten Nachbarn erreichen, beträgt. Insgesamt ist jedoch die Entwicklung zu beobachten, dass es immer schwerer wird, besonders aus den „Edelappellationen“ im Medoc, die einen Premier Cru beherbergen, also Pauillac und Margaux, und leider auch aus Saint-Julien, Weine im Segment unter 20 Euro zu finden.

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Da es überdies in Bordeaux, was die Ausrufung der Primeurpreise betrifft, zugeht, wie an der Börse – und eben nicht, wie fast überall sonst in der Welt, wo der neueste Jahrgang mindestens genauso teuer ist wie der Vorgänger (unabhängig von der Qualität), gibt es dort auch das Phänomen fallender Eröffnungspreise.

Gerade weil es den meisten Chateaux in Bordeaux verwehrt blieb, an den Erfolgen der Globalisierung mit weltweiter Markenreichweite zu partizipieren, ist im Preissegment unter 20 Euro eine illustre Schar handwerklich höchstwertiger Weingüter versammelt, deren Know-How, bedingt durch den Wissenstransfer in der Region, es ihnen ermöglicht, Weine von ausserordentlicher Fruchtklarheit, Gerbstofffinesse, Ausgewogenheit, Strukturiertheit und: Lagerfähigkeit abzufüllen.

Wer heute einen, sagen wir Belle-Vue aus dem Haut-Medoc erwirbt, der kauft keinen schlechteren Wein, als er für das gleiche Geld vor 20 Jahren bekommen hätte. Nur hätte es damals für diese Qualität ein Grand Cru Classé sein müssen. Den hätte man aber auch bekommen.

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Zieht man die Beobachtung noch mit ins Kalkül, dass nicht nur einzelne Chateaux ein Aufgeld am Markt erzielen, sondern auch Appellationen, wird deutlich, dass es die besten Qualitäten zum bestmöglichen Preis dort gibt, wo keine Klassifikation das allgemeine Preisniveau eleviert (eine Ausnahme bildet die sehr disparate Appellation Haut-Medoc), also generell in den Satelliten um Saint-Emilion (mit einem gefühlten Schwerpunkt in Fronsac), den Appellationen Haut-Medoc und Medoc, den Cotes de Bordeaux und in Teilen auch in Pessac-Leognan.

Da sowohl das Medoc als Ganzes, als auch das Libournais, verstanden als alle Herkünfte auf der rechten Flussseite, und auch Pessac-Leognan Weingüter beherbergen, deren Weine es Wert sind, in die Selektion „Bordeaux unter 20 Euro“ aufgenommen zu werden, kommen sowohl diejenigen, die Cabernet-Sauvignon bevorzugen, als auch jene, die es mehr mit Merlot „haben“, auf ihre Kosten. Von den Exoten wie Malbec und Carmenere ganz zu Schweigen.

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