Chateau Haut Marbuzet 2013

Machte man sich die Mühe, einzelne Verkostungsnotizen, wie sie gerade in Primeurzeiten in erhöhter Frequenz im Umlauf sind, zu isolieren, so dass nicht ohne Weiteres ersichtlich wäre, welcher Text zu welchem Wein gehört, dürfte nach einigem Hin- und Hermischen der Beschreibungen bald ein Zustand komplexer Aporie entstanden sein, da die in enumerativer Elegie aufgereihten Fruchttöne und Beerensorten in ihrer ubiquitären Anwendung die konzise Zuordnung zu dem, was im Einzelnen der Fall ist, schwer möglich machen.

Gerade Weine, die sich dem Fruchtschematismus mit ihrer „Andersheit“ entziehen, fordern den Rezensenten heraus, über alternative Deskriptionsmodi nachzudenken. Ein Entwurf für Chateau Haut Marbuzet 2013, der stellenweise so niedrig bewertet wird, dass man Angst haben muss, er stelle ein Gesundheitsrisiko dar, sei nachfolgend gewagt.

Haut-Marbuzet-blog

Verkostungsnotiz:

Haut Marbuzet ist das scheue Saint-Estephe-Reh, das man nur selten zu Gesicht bekommt. Anders als Phelan Segur, der im Bordeauxhandel beinahe omnipräsent ist, prüft er seine Verkoster und verlangt ihnen ab, die degustatorische Erkenntnis verinnerlicht zu haben, dass es hinter dem Fruchthorizont weiter geht. In gewissem Sinn ist der Haut-Marbuzet ein Spaßverderber, denn er hat keine Wollustallüren und verbarrikadiert seine in kühle Distanz camouflierte Noblesse hinter einer Aufwallung mineralischer Intransingenz, abgeschottet vom Lärm tangibler Extrovertiertheit, und offenbart sich nur denen, die Entschleunigung nicht für einen Ausweis verhinderter Progressivität, sondern als condition sine qua non zum Distinguieren in Gelassenheit halten.

Matthias Hilse: 90-93
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