Wer hätte das gedacht?

Die folgenden Zeilen wurden in einem Zustand hoher gesundheitlicher Angeschlagenheit verfasst und reflektieren dies möglicherweise inhaltlich. Gleichwohl ist die Subskriptionskampagne 2012, die mit ihrem Aplomb die just erst aus Bordeaux Zurückgekehrten doch zumeist überrascht haben dürfte, bereits um genügend Orientierungspunkte gereift, dass eine erste Einschätzung sinnvoll scheint.

Die Neigung eines lagerhaltungsorientierten Geschäftsmodells, durch die Auslobung perpetuierend wiederkehrender neuerlicher Reüssiten den ökonomischen Wert der wohlbehüteten Vergangenheit mit einem ansehnlichen Zinsfuss zu versehen, ist ja nur ein prominenter Ausdruck eines investorendominanten Umfelds.

Auf Chateau Cheval Blanc                                              Foto: Matthias Hilse

Auf Chateau Cheval Blanc Foto: Matthias Hilse

Insofern ist der Verkoster, sei seine Herangehensweise nun journalistisch oder kaufmännsich, gut beraten, seine Einschätzung auf die Urteilsfähigkeit seiner Sinne eher zu gründen als auf die eklektische Aneignung dominanter Meinungen.

2012 ist ein Jahrgang multipler Heterogenität, der das Mass der Perfektion in der Spitze nur um Haaresbreite verpasst, ein schön ausgeprägtes Hochplateau überaus beachtlicher Weine aufweist, aber auch jede Menge Stolperfallen bereithält, sofern man sich gerne an gewohnte Erfolgsträger hält.

Der Hinweis auf die qualitative Disparität der ausgestellten Proben verwehrt die Aussicht auf leicht formulierbare Allgemeinurteile, wie dass 2012 ein Merlotjahr gewesen sei. Es gibt grandiose Cabernet-Sauvignon-Weine, wie es sie andernflussseitig als Merlot-Variante gibt.

Was die preisliche Erwartungshaltung betrifft, dürfte es nicht falsch sein, sie irgendwo im Dunstfeld des 2008er ex Negoce-Niveaus identifiziert zu finden. Das Handelshaus Moueix, das für sich schon des Öfteren in Anspruch nehmen konnte, Initialchuzpe besessen zu haben, köderte Anfang der Woche mit moderater Zürückhaltung, die ihr Echo dann in Chateau Gazin fand.

Ein überaus opulenter Fluss an Preisveröffentlichungen aus der Riege der Cru-Bourgeois-Güter sandte dann ein anderes Signal: Preise à la Baisse, meist auf das Niveau von 2008 herab.

Nun kann in einem Orchester die zweite Geige die Kohlen nicht für den Solisten aus dem Feuer holen. Um Zugkraft in die Kampagne zu bekommen, brauchte es nun NAMEN.

Zu meiner eigenen Überraschung ist es dann Château Rauzan-Segla, jenem Chanel-Bordeaux-Elixir, das sich seinen Status als Deuxième in Margaux gerne honorieren lässt, gelungen, das Eis – zumindest vorübergehend – zu brechen. Mit einem Ausgabepreis auf dem Niveau des 2008er bei besserer Qualität. Mehr ist nun wirklich nicht zu erwarten.

So ist nun ein erster Fixpunkt gesetzt: man bekommt im Jahrgang 2012 in der eher homogenen Appellation Margaux einen deuxième Cru für knapp unter 50,00 EUR. Doch schon während des Schreibens erfährt nun der für den Jahrgang charakteristische Begriff Heterogenität mit der Preisveröffentlichung von Château Lynch Bages weitere Bedeutung. Mit einem Abschlag von nur 13% gegenüber 2011und einem Aufschlag von 87,5% gegenüber 2008 versucht man hier, den Einfluß des aktuellen Jahrgangs auf die Buchwerte gering zu halten.

Nach meiner Einschätzung liegt 2012 insgesamt knapp hinter 2011, in einem 100-Punkte-Bezug etwa einen halben Punkt niedriger im Durchschnitt, übertrifft aber in der Spitze mit Cheval Blanc 2011 leicht.

Man darf vermuten, dass all die Châteaux, die mit ihrer Preisgestaltung ihr Verständnis sowohl der aktuellen Marktsituation als auch der historischen Rückschau auf den Jahrgang 2008, von dem viele damals abstinente Kunden nun wissen, dass die definitiv etwas verpasst haben, äussern, mit ihren Offerten Erfolg haben werden.

TBC

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