Rührt uns geschüttelt noch an?

Traditionell ist der Montag während der Primeurwoche der Aufwärmtag, an dem der Gaumen neu kalibriert wird und die ersten Eindrücke zu einem noch sehr schattenhaften Bild zusammengefügt werden. Da es sich weder um einen Jahrhundertjahrgang handelt, noch um sein Komplementär, ist es wichtig, frühzeitig das Punktemaximum zu definieren, damit die Verkostungsergebnisse insgesamt konsistent sind. So viel sei jetzt schon verraten: mit dem Jahrgang 2012 knüpft Ducru Beaucaillou wieder an die grandiosen Jahrgänge 2009 und 2010 an, Haut Brion ist eine sichere Bank, und La Conseillante ein Finesseelixir.

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Gleichwohl geht es beim Bordeaux Jahrgang 2012 nur in zweiter Linie um die Qualität. Auch unter schwierigen klimatischen Bedingungen werden heute von den arrivierten Chateaux sehr gute Weine bereitet, so dass man ja gar nicht mehr befürchten muss, in das Jahr 1984 zurückversetzt zu werden.

Hier nun kommt James Bond ins Spiel, resp. eines seiner Alleinstellungsmerkmale: er hat eine Lizenz (die haben andere seines Berufszweigs natürlich auch, aber die kommen ja meist in den Filmen nicht vor). Wollte man eine Brücke zwischen dem britischen Agenten und der Weinkritik schlagen, so ließe sich Robert Parker als derjenige apostrophieren, der die Lizenz hat, Weinperfektion zu diagnostizieren.

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Keinem seiner ebenso zahlreichen wie vereinzelt namhaften Kollegen ist es gelungen, mit seinem Urteil mehr zu erreichen als einen Sturm im Wasserglas. Das System Parker war verläßlich dergestalt, dass Höchstbewertungen und Preishaussen lange fest korreliert waren. Ob ihm die Geister, die er rief, nicht mehr geheuer waren (und er wie eine andere tragische Figur, Alan Greenspan, sein Heil in Inflationsankurbelungsbemühungen sah), oder seine Altersmilde sich in immer großzügigeren Punktegaben verwirklichte, sei dahingestellt. Jedenfalls hat er durch seine Bewertungen der Bordeaux-Jahrgänge 2009 und 2010 Weinperfektion sozialisiert.

Das hat zum Einen dazu geführt, dass die Preiszuwächse selbst bei perfekten Weinen sehr überschaubar geworden sind, zum Anderen zu einer allgemein sehr hohen Erwartungshaltung. Qualitativ wird der Jahrgang 2012 diese Erwartungshaltung nur in Ausnahmefällen erfüllen können – also wird sich das Augenmerk der Verbraucher auf die Preise richten. Nun sind wir noch durch den Jahrgang 2008 verwöhnt – zumindest in der ex post Betrachtung. Dabei ist noch interessant, daran zu erinnern, dass die niedrigen Preise damals auch nur in Verbindung mit exorbitant hohen Parkerbewertungen funktionierten.

Die Chateaux, deren Kassen durch die großen Erfolge der letzten Jahre prall gefüllt sind (so dass bei den Weingütern ein regelrechter Bauboom zu beobachten ist), müssten sich also bescheiden und damit irgendwie kaufmannuntauglich handeln.

Das alles werden wir wahrscheinlich aber erst wissen, wenn Parker seine Faßbewertung Ende April veröffentlicht hat. Irgendwie sollten wir uns schon einmal darauf einstellen, dass die Dinge auch wieder so sein könnten wie zu der Zeit, als es noch keinen hegemonialen Grossdegustator gab.

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