The Times They ARE A-CHANGIN

Dass der Bordeaux-Markt ein Fluidum ist, erkennt jeder leicht, dem das heraklitische „panta rei“ eingängig ist. Wenn aber alles im Fluß ist,  dann erfordert dies sowohl von den Betrachtern als auch den Akteuren proaktive Horizontprägung. Nicht der verklärte Blick zurück, sondern die panoptische Schau der Dinge, die die Weinwelt aktuell bewegen, ermöglicht das Agieren in den tidenhubstarken Zeiten globalisierter Ökonomie.

Auch wenn man nicht aus allem schlau wird, was gerade an den Ufern der Gironde ersonnen wird, so gibt es doch deutliche Signale, dass man selbst dort Bob Dylon hört (und das sicherlich schon bevor der Großdegustator jüngst den apokryphen Wetterbericht „A Hard Rain’s a Gonna Fall“ als Prolog seiner Jahrgangsbewertung 2011nutzte), denn „the times they are a changin’ “.

Ähnlich wie vor etwa 50 Jahren, als die nuschelnd-revolutionäre Lyrik den Globus ergriff, werden wir gepackt von den Implikationen der virutellen Revolution: die Welt ist ein Dorf und doch überall. Mit der atemberaubenden Beschleunigung des Informationstransfers geht die Renaissance der Unmittelbarkeit einher.

Während wir noch gedanklich von den Zeiten zehren, als wir in der alten Welt den privilierten Zugang zum Bordeaux-Markt mittels günstiger Subskriptionspreise hatten, der es doch nicht selten ermöglichte, Neukäufe durch Realisieren der Buchgewinne auf die Käufe der Vorjahre zu tätigen, würgt die neue Tendenz, den Subskriptionspreis gleich so zu lancieren, dass Arbitrage nicht mehr so einfach möglich ist, unsere Phantasie.

Während die Inverkehrbringung des großen Bordeaux-Jahrgangs 2009 noch ihren dramaturgisch ins Epische gewundenen Lauf, der durch die Vinexpo in Asien unterbrochen wurde, nahm, sieht es in diesem Jahr ganz danach aus, als ob die Subskriptionskampagne zum Prolog der Messe in Hong-Kong wird.

Überträgt man das Geschehen auf ein anderes Großereignis, die Große Schleife in unserem radsportbegeisterten Nachbarland, so glich das Finale, wenn die Premiers auf den Markt kamen, meist jener letzten Tour-Etappe, in der es zwar noch einen Tagessieger, aber keine Veränderung mehr im Gesamtklassement gab. Heuer ist die Kampagne vorgelagert im Stil des „contre la montre“ zu Beginn des Spektakels.

Und ähnlich wie es den Heroen gekrümmter Winschlüpfrigkeit geht, wurden wir Händler in den letzten Tagen durch den Parcours entfesselter Primeurwucht getrieben, so dass kaum Zeit blieb, den einzelnen Wein in seiner individuellen Stärke zu würdigen. Bildlich könnte man insinuieren, die klassischen Primeurmärkte würden vor den aufstrebenden, bevölkerungsstarken, mittelschichtprägenden Öknomien jwd hergetrieben.

Ja, die Dinge ändern sich. Nicht der mögliche zukünftige Wertzuwachs monetären Zuschnitts wird fortan erwerbsstiftend sein, sondern der emotional zu erwartende Gewinn in Form sinnlich vinophiler Glückseligkeit.

Dass man in dieser Hinsicht mit dem Bordeaux Jahrgang 2011 eine dauerhaft gute Ehe eingehen kann, haben weder die Tempelritter der alten Ordnung noch die Frucht- und Extraktionsexegeten wirklich verstanden.

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