Welcome back! In eigener Sache und dazu: Grundlegendes zu zwei aufeinanderfolgenden großen Jahrgängen

Der Bordeaux-Jahrgang 2010 verblüfft uns mit einer nicht für möglich gehaltenen Duplizität der Ergebnisse nach dem Fabeljahrgang direkt zuvor. Da über 2009 jedoch das Füllhorn degustatorischer Euphorie bis an den Anschlag der Erträglichkeit ausgeschüttet wurde, herrscht eine gewisse Ratlosigkeit, in welcher Sprache und mit welchem Urteil man nun aufwarten sollte. Meist aus der Angst heraus, für nicht seriös erachtet zu werden, wird der Rückzug in die Defensive der relativen Inferiorität gewählt. Das ist jedoch wenig mutig und wird dem neuerlichen Wonnejahrgang überhaupt nicht gerecht.

Doch während 2009 mit seiner rubens’schen Üppigkeit die Feder des Verkosters in Hedonismen schweifen ließ, gibt 2010 mit seiner Geradlinigkeit und klassischen Akkuratesse viel weniger Halt – sowohl sinnlich als auch in der sprachlichen Beschreibung. Da im Vorfeld der diesjährigen Verkostungen, ganz im Gegensatz zu den Ereignissen ein Jahr zuvor, bei vielen Beteiligten (Winzer, Négociants) nur taktisches Schweigen zu vernehmen war, ist nun die Dominanz des einvernehmlichen Urteils viel weniger ausgeprägt. Wo es keinen eindeutigen Meinungsdruck gibt, blüht die Vielfalt auf.

So verwundert es nicht, dass qualitative Verschiedenheiten dort festgestellt werden wollen, wo es eigentlich eher um stilistische geht. Nehmen wir an, Sie seien wohlvertraut mit dem Klang der legendären Einspielung der Bach’schen Goldbergvariationen von Glenn Gould 1954 und hätten nun die Gelegenheit, Martin Stadtfeld  mit eben diesen Variationen „live“ zu hören; würden Sie nicht ins Konzert gehen, weil Sie schon eine Interpretation kennen?

Während es in der Erkenntnistheorie um die Einheit in der Vielfalt geht, können Sie am Bordeaux-Jahrgangspaar 2009/2010 die stilistische Vielfalt in der Einheit der Perfektion – zumindest bei den meisten großen Terroirs erleben. Es war für mich eine wirklich substantielle Erkenntnis, dass zwei vollendete Jahrgänge dennoch sinnlich völlig unterschiedlich sein können. Der Imperativ der Identität in der Perfektion wird hier auf den Kopf gestellt, und es brauchte schon zwei nachfolgende perfekte Ernten, um dies in seiner Deutlichkeit erkennen zu können. Exemplarisch seien hier Pontet Canet und Montrose erwähnt, an denen man diesen ungemein spannenden Umstand der verschiedenartigen Perfektion sinnlich nachvollziehen kann.

Während der Primeurverkostung letzte Woche lautete die für mich entscheidende Frage: soll ich meiner sinnlichen Erfahrung vertrauen und eben genau jene auch beschreiben, oder soll ich nicht vielmehr in die Schublade zurückhaltender Begrifflichkeit greifen, um nicht den sicheren Hafen der Skepsis und des Misstrauischen zu verlassen?

Ich habe mich, wie Sie sicher schon ahnen, für den Geist der Sinne entschieden und ihnen vertraut. Gerade dass die Natur durch ihren Sendboten, den Klimaverlauf, in 2010 Weine in ihrer schönsten Eigentlichkeit hervorzubringen in der Lage war, hätte das Verweilen in den Akzidentien niederer Begrifflichkeit zum Gang auf dem Holzweg gemacht.

Zweifelsohne stellt 2010 den Verkoster bei der Wahl der richtigen Sprache in der Würdigung der Sache vor eine schwierige Aufgabe. Wir werden uns bemühen, Ihnen in den nächsten Wochen die Weine des Jahrgangs 2010 in einer angemessenen und präzisen Sprache näherzubringen, ohne dabei im Kitsch zu versumpfen. Allen Bordeaux-Sympathisanten, deren Erlebnishorizont noch in die Zeit hineinreicht, als „klassisch“ eine weitverbreitete stilistische Heimat war, sei zugerufen: welcome back!

Und welcome back! auch jenen, die nach Jahren eines veralteten Webauftritts das erste Mal wieder unser neu gestaltetes Shopportal besuchen. Unter www.aux-fins-gourmets.de finden Sie natürlich alle Preisentwicklungen des Subskriptionsjahrgangs ganz ohne textliche Anstrengung und einfach mit Bestellfunktion.

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